Erzbischof Justin Welby. (Bild: Roger Harris/Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Bruch in der angli­ka­ni­schen Welt­ge­mein­schaft: Mene­te­kel für die Katho­li­sche Kirche?

Seit Jahr­zehn­ten hing die dro­hende Spal­tung als Damokles-​Schwert über der angli­ka­ni­schen Welt­ge­mein­schaft. Nun hat sich das theo­lo­gisch kon­ser­va­tive angli­ka­ni­sche Netz­werk GAF­CON (Glo­bal Angli­can Future Con­fe­rence) von der «Church of Eng­land» und ihrem Ober­haupt, Erz­bi­schof Jus­tin Welby von Can­ter­bury, losgesagt.

Grund für diese schwerwiegende Entscheidung ist der Beschluss der «Church of England» vom Februar 2023, Segnungen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu erlauben; vor allem für anglikanische Kirchenführer im globalen Süden, etwa in Afrika und Asien, ist das nicht hinnehmbar. Bereits einen Tag nach dem Entscheid hatte der Erzbischof der «Church of Uganda», Stephen Samuel Kaziimba Mugalu, aufgrund des gefällten Entscheids eine Abspaltung von der Mutterkirche angekündigt. «Die Kirche von England ist sehr gut darin, widersprüchliche Aussagen zu machen und zu erwarten, dass jeder glaubt, dass beides gleichzeitig wahr sein kann.»

Klares Votum
Vom 17. bis 21. April tagte die GAFCON in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Die anglikanische Bewegung vereint überwiegend die orthodox-anglikanischen Provinzen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens; doch auch europäische und nordamerikanische Anglikaner sind vertreten. An der Konferenz nahmen rund 1300 Delegierte aus 52 Ländern teil, darunter mehr als 300 Bischöfe. In ihrer am Wochenende veröffentlichten Erklärung teilen sie den gemeinsam gefassten Entscheid mit, sich von der «Church of England» und ihrem Ehrenoberhaupt Erzbischof Welby zu trennen. Durch die Einführung von Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften habe die Führung der «Church of England» beschlossen, die Sünde zu segnen, wörtlich: «Es betrübt den Heiligen Geist und uns, dass die Führung der ‹Church of England› entschlossen ist, die Sünde zu segnen.»

«Die gegenwärtigen Spaltungen in der Anglikanischen Gemeinschaft sind durch radikale Abweichungen vom Evangelium des Herrn Jesus Christus verursacht worden», ist im Dokument zu lesen. «Einige in der Gemeinschaft haben sich von den hohlen und trügerischen Philosophien dieser Welt gefangen nehmen lassen (Kolosser 2,8). Ein solches Versagen, Gottes Wort zu hören und zu beherzigen, untergräbt die Mission der Kirche als Ganzes.»
Jede Weigerung, der biblischen Lehre zu folgen, wonach der einzig angemessene Rahmen für sexuelle Handlungen die ausschliessliche, lebenslange Verbindung von Mann und Frau in der Ehe ist, verstosse gegen die Schöpfungsordnung und gefährde das Heil.

Die Unterzeichner beklagen weiter, Erzbischof Welby habe durch seine Unterstützung für die Segnung von Homosexuellen seine Weihegelübde verraten. Seine Forderung, die Vertreter der beiden Lager müssten in der anglikanischen Gemeinschaft mit dieser Meinungsverschiedenheit zusammenleben, sei für sie nicht hinnehmbar. Wörtlich heisst es: «Wir weisen die Behauptung zurück, dass zwei gegensätzliche Standpunkte in einer Heilsfrage beide richtig sein können.»

Einheit nur durch Reue und Umkehr möglichDer Weg zurück zur Einheit führe nur über die Reue und Umkehr. Im Bewusstsein der eigenen Sünden und «in Demut als vergebene Sünder» rufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz alle Provinzen, Diözesen und Vorsteher, die sich von der biblischen Rechtgläubigkeit entfernt haben, auf, «ihr Versagen, die Lehre der Bibel aufrechtzuerhalten, zu bereuen». In der folgenden Aufzählung wird klar, dass die nun vollzogene Trennung nicht allein auf der Einführung der Segnung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften beruht: die menschliche Sexualität und die Ehe, die Einzigartigkeit und Göttlichkeit Christi, seine leibliche Auferstehung, seine verheissene Wiederkunft, die Aufforderung zum Glauben und zur Umkehr sowie das Endgericht.

«Wir sehnen uns nach dieser Umkehr», erklären die Teilnehmer, «aber solange sie nicht umkehren, bleibt unsere Gemeinschaft mit ihnen unterbrochen.»

Dieses Verdikt wird noch durch eine Ankündigung verstärkt: In Kigali hat sich die GAFCON-Führung mit der ebenfalls konservativen Gemeinschaft der Anglikanischen Kirchen des Globalen Südens (GSFA, Global South Fellowship of Anglican Churches) verständigt. Gemeinsam repräsentieren diese beiden Gruppierungen rund 85 Prozent der Anglikaner weltweit. Und gemeinsam wolle man eigene Strukturen für eine weltweite Kirchengemeinschaft aufbauen, unabhängig von der «Church of England». Die Zusammenarbeit startet mit einer Dekade der «Jüngerschaft, Evangelisation und Mission» (2023-2033).

Langer Weg zur Spaltung
Seit Jahrzehnten sind sich die Mitgliedkirchen der Anglikanischen Gemeinschaft uneins über die Themen Frauenpriestertum, Bischöfinnen und die Segnung von Homosexuellen. Während die westlichen Kirchen entsprechende Änderungen als Erfordernisse des 21. Jahrhunderts bezeichnen, bedeuten sie für die Nationalkirchen des globalen Südens eine Abkehr vom christlichen Glauben.

Schon am Krisentreffen in Canterbury 2017 schloss die Mehrheit der anglikanischen Nationalkirchen weltweit die allzu liberale US-Episkopalkirche für drei Jahre von ihren gemeinschaftlichen Entscheidungen aus. Damals warnte Erzbischof Welby bereits vor einer Kirchenspaltung in der Homosexuellen-Frage. Ein Schisma wäre «keine Katastrophe, aber ein Versagen». Es wäre schlecht, wenn die Kirche nicht vorleben könnte, dass man einander lieben und dennoch «zutiefst unterschiedlicher Meinung» sein könne. Und, so Welby: «Ich kann nichts tun, wenn sich jemand entschliesst, den Raum zu verlassen.» Die Kirche bleibe aber eine Familie – «auch wenn man getrennte Wege geht».

Für die Reformierte Evangelikale Anglikanische Kirche Südafrikas (REACH) ist die Spaltung längst Realität. Das heutige GAFCON-Mitglied habe sich bereits 1938 von der Mutterkirche losgesagt, berichtet Bischof Glenn Lyons. Für ihn steht fest: «Es ist unmöglich für Canterbury, die Gemeinschaft zusammenzuhalten angesichts einer so grundlegenden Abkehr von der biblischen Lehre, was Geschlecht und Sexualität betrifft.» In Lyons' Augen ist die Spaltung längst vollzogen. «Egal, was auf dem Papier steht: Tatsächlich existieren bereits zwei verschiedene anglikanische Gemeinschaften auf dieser Welt: die orthodoxe und die liberale.»
 

Der «Church of England» steht König Charles III. als weltliches Oberhaupt vor. Geistliches Oberhaupt, Primas der «Church of England» sowie Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft ist der Erzbischof von Canterbury, derzeit Justin Welby (67). Er hat jedoch als Primus inter pares (Erster unter Gleichen) keine Weisungsbefugnis für die Nationalkirchen.
Weltweit zählt die anglikanische Kirche nach unterschiedlichen Angaben zwischen 77 und 85 Millionen Mitglieder in rund 500 Diözesen. Ausserhalb Englands gibt es 42 anglikanische Kirchenprovinzen und 5 Nationalkirchen, darunter in den USA, Australien und in mehreren Ländern Afrikas.

 


KNA/Redaktion


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 27.04.2023 um 18:30
    Überall wo der Mensch glaubt, er wisse es besser als Gott, kann es nie zu einer Einheit im Glauben kommen (bzw. wird diese zerstört.) Nur im Glauben an und im Vertrauen auf Gottes Wort können Friede und Gerechtigkeit auch unter uns Menschen wachsen. Der Schlüsselzu zu einer besseren Welt sind Demut und Gottesfurcht. " Anfang der Weisheit ist die Gottesfurcht, / die Kenntnis des Heiligen ist Einsicht.) Spr 9,10