(Bild: Daniele Levis Pelusi/Unsplash)

Hintergrundbericht

Weich­ge­spül­ter Ehebegriff

Eine Ehe stand am Beginn der Angli­ka­ni­schen Kir­che: Weil sich Papst Cle­mens VII. wei­gerte, die Ehe von Hein­rich VIII. und sei­ner Frau Katha­rina von Ara­gon zu annul­lie­ren, trennte sich der König 1534 von Rom und setzte sich selbst als Ober­haupt einer neuen Staats­kir­che ein. Die «Church of Eng­land» wurde zur Mut­ter­kir­che der Angli­ka­ni­schen Gemein­schaft, zur der 42 angli­ka­ni­sche Kir­chen­pro­vin­zen und 5 Natio­nal­kir­chen aus­ser­halb Eng­lands gehören.

Aktuell gibt die Ehe in der Anglikanischen Kirchengemeinschaft wieder zu reden. Am Donnerstag entschied die Generalsynode der «Church of England», vordergründig an der traditionellen Ehe festzuhalten. Im Bericht «Living in Love and Faith», auf dessen Grundlage die Generalsynode debattierte, heisst es:

«Die Frage nach dem Wesen der Ehe ist heute, ob die sexuelle Differenzierung zentral oder nebensächlich ist. Da es Paare gibt, die keine biologischen Kinder haben können, ist somit die Fortpflanzung ein zentraler Aspekt des Wesens der Ehe? Oder wäre es besser von ‹Fruchtbarkeit› in einem viel weiteren Sinne sprechen? Wie stark ist der Einfluss der biblischen Metapher von Christus und der Kirche auf unsere Ehe-Theologie […] Würde eine Abkehr von der sexuellen Unterscheidung als Wesensmerkmal einen grundlegenden Wandel darstellen, oder wäre es eine Erweiterung der gegenwärtigen Lehre, um eine breitere Kategorie von Menschen einzubeziehen? Dies sind Fragen, über die wir noch keinen Konsens erreicht haben.»1

Gleichzeitig schreiben die Bischöfe: «Wir verpflichten uns – und fordern die uns anvertrauten Kirchen auf – gleichgeschlechtliche Paare vorbehaltlos und mit Freude aufzunehmen.» Es werde ein neues Buch mit dem Titel «Prayers of Love and Faith» geben, das Gebete der Hingabe, des Dankes und der Bitte um Gottes Segen enthalte, um so Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare zu gestalten.

Einige seien enttäuscht, dass es keine «Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gebe, andere werden diese Gebete nicht verwenden, weil «ihr Gewissen und ihre theologischen Überzeugungen es Ihnen nicht erlauben werden». Die Generalsynode bekräftigte, dass «innerhalb der theologischen Vielfalt, die wir vertreten, jeder einen sicheren und respektierten Platz innerhalb der Kirche von England hat». Sie würden diese Gebete für Segensfeiern von homosexuellen Menschen «mit Freude und in der Überzeugung» anbieten, «dass sie die Mission der Kirche stärken und ihre Einheit bewahren werden».
In der Gruppe der Priester stimmten 85 von 199 gegen die Vorschläge, bei den Laienvertretern 92 von 200.

Die «Church of England» will Sünde segnen
Bereits am nächsten Tag entpuppte sich die erhoffte Einheit als Illusion: Der Erzbischof der «Church of Uganda», Stephen Samuel Kaziimba Mugalu, kündigte aufgrund des gefällten Entscheids eine Abspaltung von der Mutterkirche an. «Die Kirche von England ist sehr gut darin, widersprüchliche Aussagen zu machen und zu erwarten, dass jeder glaubt, dass beides gleichzeitig wahr sein kann. Genau das haben sie mit dieser Entscheidung getan», schrieb er in seinem Statement.2 Einerseits würden sie sagen, dass die Kirche von England ihre Lehre von der Ehe nicht geändert habe, andererseits erteilten sie Geistlichen die Erlaubnis zu Segnungsgottesdiensten für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen einer Hochzeit und einem Segnungsgottesdienst sei die verwendete Terminologie. Von der ersten Seite der Bibel im Buch Genesis bis zur letzten Seite der Bibel im Buch der Offenbarung sei klar, dass Gottes Plan für das Gedeihen des Menschen darin besteht, dass wir Teil einer Familie seien – «einer Familie, die definiert ist als ein Mann und eine Frau, die in der heiligen Ehe auf Lebenszeit vereint sind und, so Gott will, eine Verbindung, die Kinder hervorbringt.»

Das bedeute, dass es eine Sünde ist, sich auf homosexuelle oder gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen einzulassen. Die Kirche von England habe sich von der Bibel entfernt und biete sogar an, diese Sünde zu segnen.

Erzbischof Kaziimba erinnert an die Märtyrer von Uganda, die sich weigerten, homosexuellen Sex mit ihren Führern zu haben. «Sie standen fest zu ihrem christlichen Glauben und wurden dafür gemartert. Wir können weder sie noch unseren Herrn Jesus Christus verraten. Wir werden das Wort Gottes und seine Wege nicht verraten.» Und er fragt die «Church of England»: «Habt ihr die Integrität, aus der anglikanischen Gemeinschaft auszutreten, weil ihr vom anglikanischen Glauben abgewichen seid?»

Protest gab es auch von der anglikanischen Kirche Kenias: Die «liberale Kirchenführung» in Europa habe jegliche «theologische und dogmatische Legitimität verloren» und ihre politische Vormachtstellung missbraucht, um die Kirche zu verweltlichen, erklärte ihr anglikanischer Erzbischof Jackson Ole Sapit.

Absolute Beliebigkeit
Wohin eine solche Aufweichung des Ehebegriffs führen kann, zeigt sich am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Sie bietet mit ihrer Aktion «Einfach heiraten» am 23. März an: «Einfach heiraten – ein Segen für die Partnerschaft ohne Vorbedingung, ohne Anmeldung.»3
Ziel sei es, Menschen den Segen Gottes für ihre Partnerschaft zuzusprechen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man bereits standesamtlich verheiratet ist oder nicht. «LGBTQI+ (lesbisch, gay/schwul, bisexuell, transgender, queer, intersexuell sowie weitere Identitäten und sexuelle Orientierungen)-Paare sind selbstverständlich willkommen. Auch eine Kirchenzugehörigkeit ist nicht erforderlich – der Segen Gottes ist an keine Vorbedingungen geknüpft.» Für die Aktion stünden 50 Pfarrerinnen und Pfarrer in 12 bayerischen Kirchen bereit.
Es wird darauf hingewiesen, dass diese Segensfeier nicht die standesamtliche Eheschliessung ersetze. Wer eine kirchliche Trauung – mit Eintrag in die Kirchenbücher – wünsche, könne die Urkunde des Standesamts und den Nachweis, dass wenigstens einer der beiden evangelisch sei, nachreichen.

Für diese «Ehe» braucht es weder eine Vorbereitung noch ein gemeinsames «Eheverständnis». Es reicht, wenn man im Moment – ganz spontan – eine Segnung für die aktuelle Beziehung wünscht. Wenn die Beziehung in einer Woche vorbei ist, kein Problem; wenn man in einer Woche die Beziehung als kirchliche Trauung eintragen lassen möchte, auch gut.

Wir können nur hoffen, dass der Synodale Weg nicht den gleichen Irrweg einschlägt wie die «Church of England». Sobald an der Grundlage unseres Glaubens gerüttelt wird, ist die Einheit in Gefahr, wie das Beispiel der Anglikanischen Kirchengemeinschaft zeigt. In diesem Zusammenhang ist die Aussage von Erzbischof Gintaras Grusas, dem Präsidenten des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), ziemlich naiv: «Ich habe hier [in Prag] in keiner Äusserung den Wunsch gehört, die Kirche zu verlassen.»4 Auch die «Church of England» war davon überzeugt, dass mit der Einführung von Segnungsfeiern für homosexuelle Menschen die «Mission der Kirche gestärkt und ihre Einheit bewahrt werde». Die Realität sieht anders aus.

 


1 «Living in Love and Faith». A response from the Bishops of the Church of England about identity, sexuality, relationships and marriage.
2 Statement von Erzbischof Stephen Samuel Kaziimba Mugalu in «The Independent» vom 10. Februar 2023, https://www.independent.co.ug/church-of-uganda-starts-process-to-split-from-canterbury/, abgerufen am 12. Februar 2023.
3 Pressemitteilung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, https://www.bayern-evangelisch.de/pressemitteilung-23-02-07.php, abgerufen am 12. Februar 2023.
4 https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2023-02/tschechien-weltsynode-grusas-ccee-prag-treffen-wichtig.html, abgerufen am 12. Februar 2023.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Hansjörg 13.02.2023 um 11:44
    Durch Übertritte von anglikanischen, verheirateten Priestern zur kath. Kirche wird zudem der der Zölibatsbegriff weichgespült.
    So können diese Priester innerhalb der kath. Kirche weiterhin aktiv bleiben, obwohl sie verheiratet sind und Kinder haben.