Muttergottesstatue im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Mariä Geburt in Rottenbuch (D). (Bild: Rosmarie Schärer/swiss-cath.ch)

Hintergrundbericht

Der Beginn von Got­tes wun­der­ba­rem Erlösungswerk

Am 8. Dezem­ber 1854 ver­kün­dete Papst Pius IX. fei­er­lich den Glau­bens­satz, der die­sem Hoch­fest zugrunde liegt: Die seligste Jung­frau Maria ist im ers­ten Augen­blick ihrer Emp­fäng­nis durch die ein­zig­ar­tige Gnade und Bevor­zu­gung des all­mäch­ti­gen Got­tes, im Hin­blick auf die Ver­dienste Christi Jesu, des Erlö­sers des Men­schen­ge­schlechts, von jedem Makel der Urschuld unver­sehrt bewahrt wor­den. Diese Lehre ist von Gott geof­fen­bart und darum von allen Gläu­bi­gen fest und bestän­dig zu glauben

Die Erbsünde − der erste Ungehorsam gegen Gott
Wie wir den beiden Schöpfungsberichten am Anfang der Heiligen Schrift im Buch Genesis entnehmen können, zeichnet den Menschen im Vergleich zu allen anderen Lebewesen eine besondere Würde aus: «Als Abbild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er sie» (Gen 1,27). Doch in seiner Freiheit, die Gott dem Menschen schenkte, entschied der Mensch falsch. Dieser schwere Ungehorsam von Gott wird uns in Bildern veranschaulicht. Die Anweisung Gottes lautete: «Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen, sonst wirst du sterben» (Gen 2,16). Das bezweifelte die geheimnisvolle Schlange, indem sie eine falsche Behauptung in eine rhetorische Frage verpackt: «Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?» Danach stellt sie die Konsequenzen infrage: «Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiss viel mehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf, ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse» (Gen 3,5). Wie es weiter ging, ist bekannt. Der Mensch konnte nicht widerstehen – die Aussicht, wie Gott zu werden, war zu verführerisch. Die Konsequenzen sind bekannt. Der Tod kam in die Menschheit in einem doppelten Sinn: Die Lebenszeit jedes Menschen ist beschränkt und der Mensch begeht so verwerfliche Taten wie Kains Brudermord.

Verhängnisvolle Nachwirkungen bis heute
Man könnte nun sagen: «Was geht mich das an, das alles ist ja schon lange her!». Tatsächlich müssen wir feststellen, dass diese Erbsünde weiterwirkt und wir die Folgen dieser Urschuld tagtäglich zu spüren bekommen. Ist es nicht so, dass es uns Überwindung kostet, das Gute zu tun? Wir tun das Gute nicht einfach automatisch. Erst recht fällt es uns schwer, jemandem zu vergeben. Obwohl wir bei der heiligen Taufe im wahrsten Sinn des Wortes heilig wurden, wirkt diese Erbsünde nach, indem wir immer wieder auf ein Neues entscheiden müssen, das Gute zu tun und das Böse bleiben zu lassen. Es gibt Theologinnen und Theologen, die den Begriff der Sünde meiden, als ob sie nicht mehr eine Realität wäre. Wenn wir das nächste Mal über die Finanzkrise, über eine unverschämte Preiserhöhung, über Entlassungen in einer Firma trotz hoher Gewinne jammern, sollten wir bedenken, dass die Ursache eben doch in der Sünde des Egoismus und der Habsucht liegt. Letzterer ist es offensichtlich egal, wenn ganze Länder in den Bankrott getrieben werden und besonders die Ärmsten darunter leiden. Es geht aber nicht nur um materielle Dinge. Immer mehr scheint sich die irrige Auffassung in unserer Gesellschaft durchzusetzen, nur jene Menschen, die im Vollbesitz ihres Bewusstseins, ihrer Vernunft, ihrer Kräfte seien, hätten eine Würde, die es zu achten gelte. So wird dann gemäss dieser irrigen Auffassung einer Gruppe nach der anderen das Recht auf Leben abgesprochen oder nahegelegt, dass unsere Gesellschaft nicht bereit sei, für die Erhaltung ihrer Existenz Geldmittel aufzuwenden: den ungeborenen Kindern, den tiefgefrorenen Embryos, körperlich und geistig Behinderten, Schwerkranken, alten dementen Menschen. Wenn sich der Mensch seiner eigenen, ihm innewohnenden und unverlierbaren Würde nicht mehr bewusst ist, spielt er sich auf zum Herrn über Leben und Tod, der andere Menschen als lebenswert oder lebensunwert beurteilt und sie entsprechend behandelt.

Gott setzt der Erbschuld die Gnade entgegen
Gott lässt den Menschen nicht im Stich. In seiner unendlichen Liebe setzt Gott der Erbschuld die Gnade entgegen. Er will den Menschen auf wunderbare Weise erlösen und bereitet dieses Geschehen vor. So glaubt und bekennt die Kirche an diesem Fest, dass Gott Maria im Hinblick auf die Menschwerdung des Gottessohnes vom ersten Augenblick ihrer Existenz an von jedem Makel der Erbschuld bewahrte. Sie ist, wie das oft auch formuliert wird, die Vorerlöste. Der dreieinige Gott lässt den Sohn in Maria Mensch werden, um die Menschheit durch sein Leiden, seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung zu erlösen. Die Liebe Gottes, die sich zu jedem Menschen herabneigt wird in der Osternacht im «Exsultet» besungen. In ihrem Jubel geht die Schwere der Erbschuld praktisch unter: «O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glückliche Schuld, welch grossen Erlöser hast du gefunden!» In diesen Jubel dürfen wir auch am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis einstimmen, denn in Maria hat Gott sein wunderbares Erlösungswerk begonnen.

Dieser Beitrag erschien im Pfarrblatt für die Pfarreien Unteriberg, Studen, Oberiberg, Steinen, Riemenstalden und Attinghausen.

 

 


Roland Graf
swiss-cath.ch

E-Mail

Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der Erste, der kommentiert