Blick auf den Latschin-Korridor zwischen Armenien und Berg-Karabach. (Bild: Ліонкінг, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Der Preis des Schwei­gens: Chris­ten in Berg-​Karabach droht die Auslöschung

Die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tion «Chris­tian Soli­da­rity Inter­na­tio­nal» (CSI) ist davon über­zeugt, dass im Süd­kau­ka­sus einer der welt­weit ältes­ten christ­li­chen Gemein­schaf­ten die Aus­lö­schung droht. Sie ruft des­halb mit der inter­na­tio­na­len Kam­pa­gne «The Cost of Silence» (Der Preis des Schwei­gens) dazu auf, die Stimme für die bedräng­ten Karabach-​Armenier zu erheben.

Bereits im Jahr 301 wurde Armenien ein christliches Land. In seiner langen Geschichte hat das armenische Volk immer wieder Verfolgungswellen erlebt. Während der Jahre 1915 bis 1923 ermordeten das Osmanische Reich und sein Nachfolgestaat, die Türkei, über eine Million Armenierinnen und Armenier. Mehrere hunderttausend Weitere wurden versklavt, zum Übertritt zum Islam gezwungen oder vertrieben. Mehr als 20 Staaten haben bis jetzt den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren anerkannt, darunter Deutschland, Frankreich und Österreich. Der Schweizer Nationalrat hat den Genozid 2003 ebenfalls anerkannt, nicht aber der Bundesrat, 2021 folgte die Anerkennung durch die USA.

1918 erklärten die Republik Armenien sowie die Armenier der Region Berg-Karabach ihre Unabhängigkeit. Das Osmanische Reich fiel in die Kaukasusregion ein und half bei der Gründung der Republik Aserbaidschan. Nur zwei Jahre später eroberte die Sowjetunion Armenien, Aserbaidschan und Berg-Karabach und erklärte in der Folge das christliche Berg-Karabach zu einem Teilgebiet des islamisch geprägten Aserbaidschan. Alle Kirchen in Berg-Karabach wurden geschlossen und viele Priester in den Gulag geschickt.

Ende der 1980er-Jahr begann in Berg-Karabach eine Unabhängigkeitsbewegung. Doch Aserbaidschan blockierte die Region und begann mit ethnischen Säuberungen. Als die Sowjetunion 1991 zusammenbrach, erklärten Aserbaidschan, Armenien und Berg-Karabach ihre Unabhängigkeit. Ein Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach endete 1994 mit einem Waffenstillstand; Berg-Karabach wurde eine freie Republik, doch wird dessen Unabhängigkeit bis heute nicht anerkannt.

In den Jahren 2016 und 2020 griff Aserbaidschan Berg-Karabach an. Am 9. November erzwang Russland mit Aserbaidschan einen Waffenstillstand. Im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens trat Armenien grosse Gebiete an Aserbaidschan ab, darunter auch ein Gebiet, das Armenien mit Berg-Karabach verbindet. Zehntausende von Armenierinnen und Armeniern, die in diesen Gebieten lebten, mussten ihre Häuser verlassen. Den Armeniern von Berg-Karabach bleibt nur eine einzige Strasse, den Latschin-Korridor, der sie mit Armenien verbindet.

Am 13. September 2022 griff Aserbaidschan das armenische Kernland an und tötete innerhalb von nur zwei Tagen Hunderte von Armeniern. Am 12. Dezember blockierte Aserbaidschan den Latschin-Korridor und begann mit einer Belagerung von Berg-Karabach. Im Jahr 2023 forderte der Internationale Gerichtshof Aserbaidschan auf, den Latschin-Korridor zu öffnen, was das Land aber ignorierte.

Rund 120 000 armenische Christinnen und Christen sind von dieser Blockade betroffen. Sie haben kaum noch Gas und nur stundenweise Strom. Lebensmittel und Medikamente gehen zur Neige. Nur das «Rote Kreuz» und russische Friedenstruppen dürfen das Gebiet betreten.

Warnung vor einem Völkermord
In seinem Schreiben vom 1. Juni 2023 warnt der Präsident von CSI International, Dr. John Eibner, dass die öffentlich erklärte Bereitschaft von Premierminister Pashinyan, Aserbaidschans Souveränität über Berg-Karabach anzuerkennen, die Tür zu einem neuen Völkermord an Armeniern aufstossen könnte. Eibner erinnert an die gemeinsame Erklärung der Präsidenten von Aserbaidschan und Armenien vom 2. November 2008. Darin haben sie vereinbart, dass über den endgültigen Rechtsstatus von Berg-Karabach in einer Volksabstimmung entschieden werden soll. Dieses Recht auf Selbstbestimmung ist auch in den Madrider Prinzipien der OSZE zur friedlichen Beilegung des Berg-Karabach-Konflikts aufgeführt.

Die von Premierminister Pashinyans unter dem Vorwand der Erhaltung des Friedens geäusserte Anerkennung der aserbaidschanischen Souveränität über Berg-Karabach wurde von der armenischen Kirche scharf verurteilt. «Und zwar aufgrund der Befürchtung, dass diese Kapitulation nicht zum Frieden, sondern zu einem neuen Völkermord und zur Deportation des armenischen Volks in der Region führen wird», schreibt John Eibner.

Neben CSI haben weitere Menschenrechtsorganisationen eine Völkermordwarnung für Berg-Karabach herausgegeben. CSI will mit der Kampagne «Der Preis des Schweigens» die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Lage der Menschen in Berg-Karabach richten.

Gemäss CSI hat Aserbaidschan jede Spur armenischer Existenz und Geschichte im gesamten von ihm kontrollierten Gebiet systematisch vernichtet. Der aserbaidschanische Diktator Ilham Alijew benutze entmenschlichende Ausdrücke wie «Hunde» oder «Ratten», um die Armenier zu beschreiben. Die aserbaidschanische Diktatur ist durch das Ölgeschäft reich geworden und hat Milliardengelder in Waffen investiert. Der Migros-Konzern unterhält via seine Tochter «Migrolino» enge Geschäftsbeziehungen mit «Socar». Diese Erdölgesellschaft betreibt zahlreiche Tankstellen in der Schweiz, gehört dem Staat Aserbaidschan und ist dessen wichtigste Einnahmequelle.
 


Sollte Aserbaidschan die Kontrolle über Berg-Karabach übernehmen, wird die 1700 Jahre alte christliche Gemeinschaft zerschlagen werden. In diesen Tagen werden die Weichen erneut gestellt für einen armenischen Völkermord. «Es gilt jetzt, das Schweigen zu brechen!», schreibt CSI im Zusammenhang mit seiner Kampagne «Der Preis des Schweigens» und fordert dazu auf, sich an die jeweilige Landesregierung zu wenden mit der Aufforderung, dem laufenden genozidalen Prozess nicht einfach zuzuschauen, sondern alles zu unternehmen, damit die Menschen in Berg-Karabach sicher und frei in ihrer Heimat leben können.
 

Christian Solidarity International unterstützt das Selbstbestimmungsrecht der Armenier in Berg-Karabach und leistet seit dem ersten Berg-Karabach-Krieg (1988 bis 1994) humanitäre Hilfe für die Opfer der aserbaidschanischen Aggression.


Redaktion


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