Socar-Tankstelle in Aserbaidschan (Bild: Kheo17/Wikimedia Commons)

Kommentar

Migros – Pro­fit statt Moral

Der Migros-​Konzern unter­hält via seine Toch­ter Migro­lino enge Geschäfts­be­zie­hun­gen mit Socar. Diese Erd­öl­ge­sell­schaft betreibt zahl­rei­che Tank­stel­len in der Schweiz, gehört dem Staat Aser­baid­schan und ist des­sen wich­tigste Ein­nah­me­quelle. Das isla­mi­sche Aser­baid­schan führt seit dem Jahr 2000 gegen sein christ­li­ches Nach­bar­land Arme­nien einen Erobe­rungs­krieg. Trotz Pro­tes­ten von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen zeigt sich die Migros unein­sich­tig und will ihre Geschäfts­be­zie­hun­gen mit Socar voll­um­fäng­lich weiterführen.

Aserbaidschan nutzt die Gunst der Stunde. Da Russland als militärische Schutzmacht Armeniens vom Ukraine-Krieg absorbiert wird, forciert Aserbaidschan seine rücksichtslosen militärischen Übergriffe auf das Nachbarland Armenien. Darunter besonders zu leiden hat die armenische Enklave Bergkarabach. Seit dem 12. Dezember 2022 blockiert Aserbaidschan die einzige Verbindungsstrasse zwischen Bergkarabach und Armenien. Damit sind die rund 120 000 Karabach-Armenier vom Rest der Welt abgeschnitten. Neben Krankheit, Hunger und dem Zusammenbruch des Gesundheitswesens droht auch eine ethnisch-religiöse Säuberung: Die Christen sollen aus Bergkarabach vertrieben werden.

Wo bleiben die moralischen Werte von Gottfried Duttweiler?
Am 20. Dezember 2022 hat deshalb die Koalition «MigroliNOTsocar» unter Federführung der Menschenrechtsorganisation «Christian Solidarity International (CSI)» am Hauptsitz der Migros in Zürich eine mit 6600 Unterschriften versehene Petition überreicht, in der die Migros aufgefordert wird, ihre Geschäftsbeziehungen mit Socar zu beenden. Für Ende Januar 2023 wurde mit Spitzenvertretern der Migros ein Treffen vereinbart.

swiss-cath.ch wollte von der Migros wissen, ob konkrete Ergebnisse von diesem Treffen zu erwarten seien. Hier die Antwort der Migros im Wortlaut:

«Vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der Migros. Es trifft zu, dass wir uns gegenüber einem Austausch stets offen gezeigt haben. Es fanden auch verschiedene Gespräche statt. Deren Inhalte möchten wir nicht kommentieren bzw. sie sind interner Natur.»

CSI als Hauptinitiant der Koalition MigroliNOTsocar veröffentlichte umgehend ein Communiqué, in welchem das Treffen mit der Migros vom 30. Januar 2023 als ergebnislos bezeichnet wird. Im Klartext: Migros will am florierenden Geschäft ihrer Tochter Migrolino mit Socar unbeirrt festhalten, selbst wenn damit die kriegerischen Übergriffe Aserbaidschans gegen Armenien indirekt mitfinanziert werden. In der Tat beliefert Migrolino im Franchising-System Socar mit einem Grossteil seines Sortiments; der Umsatz steigt rasant, zumal Socar seine Präsenz in der Schweiz u. a. mit dem Kauf zahlreicher Esso-Tankstellen sukzessive ausweitet. CSI wirft deshalb der Migros in diesem Zusammenhang vor, die hohen moralischen Werte ihres Gründers Gottfried Duttweiler wie beispielsweise die Pflicht, sich politisch für die Schwachen und gegen Machtmissbrauch einzusetzen, zugunsten eines hochprofitablen, aber unmoralischen Deals verraten zu haben.

Scheinheilig gab Migros-Manager Michel Gruber gegenüber der Koalition «MigroliNOTsocar» zu verstehen, die Socar-Verträge sofort zu kündigen, sofern Organisationen wie die UNO oder der Bundesrat Sanktionen gegen Aserbaidschan verhängen würden. Michel Gruber weiss natürlich genau, dass dieser hypothetische Fall auf absehbare Zeit blosse Fiktion bleiben wird. Denn inzwischen ist Aserbaidschan infolge des Ukraine-Krieges als Erdöl- und Erdgas-Lieferant für den Westen viel zu wichtig geworden. So weilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerade erst im August 2022 in Baku, um namens der EU mit Aserbaidschan eine sogenannte «Energiepartnerschaft» aufzugleisen, sprich mehr Erdgas aus diesem Land importieren zu können.

Wie das Schicksal so spielt: Just einen Tag nach dem genannten Treffen veröffentlichte das Medienportal www.finanzen.ch eine Meldung mit dem Titel «WhatsApp verdrängt Migros als beliebteste Marke der Schweiz». Dieser Meldung ist zu entnehmen, dass zu den beliebtesten Marken der Zukunft Google, WhatsApp, Coop, Coop Supercard und Twint gehören werden. Nicht dazu gehört die Migros. www.finanzen.ch abschliessend: «Nicht unter den besten 10 Marken findet sich dagegen die Migros. Die Migros verliert damit bei den ‹Influencial Opinion Leaders› noch stärker an Boden als bei den Jungen. Sie landet gerade mal auf Platz 24 – und damit noch hinter den Konkurrenzmarken Lidl, Denner, Prix Garantie, Coop City und Coop.ch.» Ob unethische Geschäftspraktiken der Migros wie hier der Fall etwas mit diesem Ranking-Taucher zu tun haben?


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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  • user
    Ferdi23 03.02.2023 um 21:11
    "Profit statt Moral": man könnte auch sagen "Doppel-Moral" (wie neulich die Bali-Flugreise von Klimaaktivisten). Der Artikel erinnert fatal an die Geschosse linker Aktivisten in kirchlichen Organisationen für die gescheiterte Konzernverantwortungsinitiative. Und jetzt? Werden sie nun im Migros-Magazin für ihre Weltverbesserungs-Postulate inserieren?