Mit spitzer Feder Kirche Schweiz

Erfolg­rei­cher syn­oda­ler Weg?

Der von der katho­li­schen Kir­che in Deutsch­land (und ana­log in der Schweiz) beschrit­tene «syn­odale Weg» dürfte unwei­ger­lich zu einer Kir­chen­spal­tung füh­ren: so die Pro­gnose des in der Neuen Zür­cher Zei­tung unter dem Titel «Der syn­odale Irr­weg» ver­öf­fent­lich­ten Bei­trags von Mar­tin Grichting.

Als warnendes Beispiel verweist Grichting auf die Entwicklungen in der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Dort hatte im 19. Jahrhundert die Frage, ob Jesus Christus tatsächlich der Sohn Gottes sei, zu einer innerprotestantischen Zerreissprobe geführt. Um eine Spaltung und damit den Verlust der staatlich garantierten Finanzierung zu verhindern, erliess die Zürcher Landeskirche eine Tauf- und Abendmahlsliturgie in jeweils zweifacher Ausführung: Die eine Fassung hielt am Apostolischen Glaubensbekenntnis und damit an Jesus Christus als Sohn Gottes fest, die andere nicht. Einigendes Band ist bis heute demzufolge nicht mehr das Glaubensbekenntnis, sondern der das Kirchenwesen finanzierende Staat. Damit sind, so Karl Barth, Bekennen und Nicht-Bekennen gleichermassen erlaubt.
Die Rücksichtnahme auf innerkirchlich sich widersprechende Glaubenslehren führte, so Grichting weiter, zu einem sich sukzessive verschärfenden religiösen Substanzverlust, was sich wiederum in einem dramatischen Schwund der Mitgliederzahlen manifestierte: Gehörten der protestantischen Landeskirche 1860 noch 95,7 Prozent der Bevölkerung an, sind es im Jahre 2021 gerade noch 25,4 Prozent. Der in Deutschland (und analog in der Schweiz) von der katholischen Kirche beschrittene synodale Weg würde, so Grichting, im Ergebnis ebenfalls zu einer bloss von einem staatlich-ökonomischen Regelwerk zusammengehaltenen Glaubensgemeinschaft mit sich widersprechenden Überzeugungen führen – inklusive einem parallel verlaufenden Mitgliederschwund.

Diese Analyse stiess wenig überraschend auf heftigen Widerspruch. An vorderster Front meldeten sich Exponenten der Alt-katholischen Kirche zu Wort (in der Schweiz christkatholische Kirche genannt), obwohl – oder gerade weil –Grichting diese Konfession in seinem Beitrag gar nicht erwähnt hatte. So verwies Pfarrer Daniel Konrad in seiner Kritik («Der synodale Weg ist am Ende erfolgreich», Neue Zürcher Zeitung vom 9. September 2022) auf das Gegenmodell seiner im Gefolge des I. Vatikanischen Konzils gegründeten Alt-katholischen Kirche. Den vermeintlichen Erfolgsfaktor will Pfarrer Konrad im Selbstverständnis seiner Kirche erkennen, die sich nicht «gegen die Welt», sondern «mit der Welt» zu verwirklichen versuche. Das Problem dabei: Was, wenn «die Welt» von dieser Anbiederung eines verwässerten Christentums partout nichts wissen will? Zumindest in der Schweiz scheint dies der Fall zu sein. Gemäss Bundesamt für Statistik gehören landesweit gerade noch knapp 13 000 Gläubige der Christkatholischen Kirche an – dies bei einer Gesamtbevölkerung von 8,7 Millionen – macht nach Adam Riese gerade einmal 0,15 Prozent. Nicht unbedingt das, was man sich unter einem erfolgreichen synodalen Weg vorstellt.

 

Der zitierte Beitrag von Martin Grichting erschien am 13. August 2022 in der NZZ (nur mit Abo zugänglich). Der Beitrag wurde auf kath.net zweitveröffentlicht.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    stadler karl 11.10.2022 um 11:04
    Die Argumentation von Herrn Grichting will nicht so recht überzeugen. Wenn man bedenkt, wie anlässlich des ersten Konzils von Nicäa letztlich das Glaubensbekenntnis, das ja in den entscheidenden Punkten mit dem kürzeren apostolischen Bekenntnis übereinstimmt, zustande kam und die Natur Christi dogmatisiert wurde, dann will einem scheinen, dass das Glaubensbekenntnis und damit allgemein Glaubenswahrheiten einen inneren Zusammenhang mit den jeweiligen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und den allgemeinen Interessen einer politischen Macht, wie z.B. eines Staates, aufweisen kann. Der derzeitige Streit über die verbindlichen Quellen der Offenbarung, in dessen Zusammenhang Kurt Koch aufgrund eines unglücklichen Kommunikationsfehlers massiv und zum Teil sehr unfair angegriffen wurde, vermag nicht darüber hinweg zu täuschen, dass die kirchlichen Bemühungen um einen verlässlichen Wahrheitsbegriff, und das hüben wie drüben, keine Garantie bedeuten, für die menschliche Kontingenzbewältigung auseichende Hilfestellung zu bieten, insbesondere auch im normativen Bereich. Beinhaltet religiöse "Wahrheit" in wichtigen Teilen vor allem Ausfluss und Funktion der jeweils aktuellen gesellschaftspolitischen Prozesse und Machtverhältnisse betreffend Deutungshoheit und hat sie vorerst nur in diesem Kontext Bestand, eignet sie sich kaum, um gegenüber den Menschen als verlässliche Leitplanke zu fungieren. Vielleicht würde sich der Mensch mit nicht weniger Gewinn an der Philosophie orientieren. Dort weiss man seit Jahrtausenden, dass das Bemühen um einen tragenden Wahrheitsbegriff, nicht zuletzt auch im normativen Bereich, ein sehr anspruchvolles, wenn nicht gar unerreichbares geistiges Ziel darstellt und dass der Mensch dazu verurteilt ist, sich mit diesem Sachverhalt zu begnügen.
    • user
      Michael Dahinden 12.10.2022 um 08:02
      Der Mensch braucht sich weder mit Philosophie noch mit blinder Wahrheitssuche zu begnügen. Er hat die Religion und Jesus Christus, Der die Wahrheit ist. Was an Dr. Martin Grichtings Argumentation zu bezweifeln ist, ist allenfalls der Konnex zur Mehrheit. Die Tatsache, dass Christus alleine unter der Last des Kreuzes fiel, setzt Ihn nicht in das Unrecht. Daher ist eine Kirche, der die Schäflein hinterherlaufen, auch nicht automatisch nur schon dieser Tatsache wegen im Recht. Wäre es so einfach, hätten sich die Leute im genannten Streit der Kirche Zürich einfach hinter die Vertreter des Apostolischen Glaubensbekenntnisses gestellt und würden heutzutage die Räubersynoden auslachen. Nein. Diese Kirchenfeinde haben Geld, Macht und in den Massenmedien führen sie die grosse Röhre. Das Schlänglein aus dem Garten Eden lässt uns alle schön grüssen. Unsere Aufgabe ist es, das Schlänglein zu benennen und zu kennzeichnen.