Als Karin Iten ihre Stelle als Präventionsbeauftragte des Bistums Chur per 31. August 2023 kündigte, war das Wehklagen gross. Denn die «Präventions-Ikone» Iten habe einen «super Job» gemacht, ihre Kündigung sei eine Katastrophe, lamentierte Sibylle Ratz, Informationsbeauftragte des Synodalrates der Zürcher Kantonalkirche. Deren damaliger Präsidentin, Franziska Driessen-Reding, kam die Contenance völlig abhanden. Es sei eine Bankrotterklärung für die Kirche, dass man diese «tolle und qualifizierte Frau» nicht habe halten können. Als ob es nicht das ureigenste Recht eines jeden Arbeitnehmers, jeder Arbeitnehmerin wäre, unter Einhaltung der Kündigungsfristen jederzeit die Stelle zu wechseln.
Auch der für die Anstellung hauptverantwortliche Bischof Joseph Maria Bonnemain steuerte eine Lobeshymne bei: «Ich schätze ihre Fachkompetenz und ihre langjährige Erfahrung im Bereich der Prävention ausserordentlich. Sie wird diesbezüglich ein grosses Vakuum hinterlassen» (Mitteilung des Bistums Chur vom 1. Juni 2023). Ein einigermassen erstaunliches Wendemanöver des Churer Bischofs, hatte er doch wenige Monate zuvor Karin Iten eine Rüge erteilen müssen, weil sie im Zusammenhang mit dem liturgischen Missbrauch in der Pfarrei St. Martin in Effretikon selbst verbal übergriffig geworden war.
«Ausgewiesene Fachperson im Bereich Prävention», «hochqualifiziert» so lauteten einige der euphorischen Zuschreibungen an die Adresse von Karin Iten. Der Faktencheck: Karin Iten hatte von 1990 bis 1996 Umweltwissenschaften an der ETH Zürich studiert. Eine Ausbildung im Bereich der Prävention sexueller Übergriffe vermag sie nicht vorzuweisen. Ihre diesbezügliche «Fachkompetenz» beschränkt sich auf ihre Tätigkeit für «Limita», eine Organisation zur Prävention sexueller Ausbeutung. Dort allerdings war sie nach Kräften bemüht, ihr Ausbildungsdefizit im Bereich sexualisierter Gewalt durch ein Bekenntnis zur vermeintlich fortschrittlichen Sexualpädagogik zu überspielen. In einem «Limita»-Leitartikel verstieg sie sich zur Parole: «Es gehört zur zentralen Entwicklungsaufgabe von Kindern und Jugendlichen, erste Lernerfahrungen rund um Sexualität unter Gleichaltrigen zu machen und dabei Grenzen auszuloten – und diese manchmal auch unbeabsichtigt zu überschreiten» (sic). Eine hochgradig grenzwertige Äusserung, denn es hilft einem Opfer herzlich wenig, wenn es mit der beschwichtigenden Floskel abgespeist wird, es sei «unbeabsichtigt» missbraucht worden.
Wie sehr diese verque(e)re Auffassung einer altersgerechten Sexualerziehung zur DNA der Karin Iten gehört, erhellt ihre Reaktion auf eine Äusserung von Papst Franziskus im Oktober 2022, in der er anlässlich einer Zusammenkunft mit römischen Seminaristen und Priestern vor dem Konsum von Pornographie, auch sogenannter «normaler Pornographie» ausdrücklich warnte. In schulmeisterlicher Manier replizierte Iten: «Ich vermisse in den Äusserungen von Papst Franziskus eine klare Differenzierung zwischen illegaler und legaler Pornographie. Die Produktion und der Konsum von Kinderpornographie sind ein Verbrechen, da Kinder missbraucht werden. Und auch die Produktion von Pornos, welche die Notlage von Menschen ausnutzen, ist nicht in Ordnung. Legale, fair entstanden Pornos sind eine ganz andere Kategorie» (vgl.»kath.ch» vom 27. Oktober 2022). Nota bene: Karin Iten war zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren Präventionsbeauftragte im Bistum Chur. Sie konnte sich diese illoyalen Auslassungen problemlos leisten, war sie doch inzwischen in kürzester Zeit von den Mainstream-Medien zu einer Art Jeanne d'Arc der Missbrauchsbekämpfung im kirchlichen Umfeld hochstilisiert worden.
In der Höhle des Löwen
Als paradigmatisch für diese Art Hofberichterstattung mit umgekehrten Vorzeichen kann das Porträt gelten, welches das Magazin der ETH Zürich von ihr gezeichnet hat («In der Höhle des Löwen»). Da ist von einer «schier unlösbaren Aufgabe» die Rede, die da Karin Iten geschultert hat: der «Kulturwandel in der katholischen Kirche». In ironiefreier Selbstüberschätzung erzählt sie von ihrem Mut, sich als Aussenstehende – «out of the box» – in den Rachen eines Löwen, sprich in die katholische Kirche vorgewagt zu haben. Ihr Kampf gilt dem pyramidal-hierarchischen Systemfehler: «das Brackwasser aus Spiritualität und Macht und den daraus fliessenden Machtmissbrauch». Eifrig ist sie bemüht, den obligaten Cliché-Jargon von der toxischen, starren Organisation namens katholische Kirche zu bewirtschaften. Als erklärte Agnostikerin stülpt sie ihr eindimensional-naturwissenschaftliches Weltbild problemlos der ganzen Wirklichkeit über. Immerhin: Mit ihrer Kündigung per 31. August 2023 hat sie die logische Konsequenz aus der inkompatiblen Diskrepanz zwischen elementaren Loyalitätspflichten und ihrer sich zunehmend radikalisierenden Geisteshaltung gezogen.
Zuvor hatte sie noch in Koproduktion mit Stefan Loppacher, mit dem sie sich die Präventionsstelle je zur Hälfte teilte, ihr Gesellenstück namens «Verhaltenskodex» abgeliefert: ein – wie Makoto Weinknecht auf «swiss-cath.ch» festhielt, von der «LGBTQ-ideologie durchtränktes Papier».
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Gott, der für Loppacher Suizid begangen hat, war in Jesus von Nazaret wenigstens glaubwürdig, Herr Loppacher, und hätte NIEMALS seine Seele verkauft.
Eigentlich bräuchten wir Präventionsbeauftragte gegen die Machenschaften des Widersachers in unserer Kirche
Grundloyalität mit der katholischen Kirche ist nicht möglich, wenn man den Verhaltenskodex ernstnimmt. Dieser wird hier ebenfalls gefordert, siehe Inhalt des Inserats.
In diesem Kodex steht nun zum Beispiel, man dürfe keine Schuldgefühle schüren. Ich aber werde schon morgen früh beim "Confiteor" am meisten meine eigenen, aber auch meiner Mitchristen Schuldgefühle schüren und dies mit voller Überzeugung, weil mein Herr und Meister gesagt hat "Tut Busse". Nur schon auf diese Weise ist der Verhaltenskodex auf eine gewisse Weise widerlegt. Wer ihn durchsetzen wird, kann kaum loyal zur Kirche sein.
*Ironie aus