Screenshot www.kirchensteuern-sei-dank.ch

Kommentar

Hoher Adre­na­lin­spie­gel: Kir­chen­steu­ern und Umfra­gen sei Dank!

Das Kan­to­nal­kir­chen­par­la­ment Schwyz hat in sei­ner Herbst­ses­sion 2022 beschlos­sen, sich an einer Web­seite namens «kir​chen​steu​ern​-sei​-dank​.ch» zu betei­li­gen und zwar mit Fr. 38 000. swiss​-cath​.ch hat dar­über berich­tet. Nun müs­sen die Kirch­ge­mein­den ihre Daten mit einer solch inbrüns­ti­gen Detail­ver­ses­sen­heit an die Kan­to­nal­kir­che wei­ter­lei­ten, dass es den Kir­chen­rats­schrei­bern und wei­te­ren betrof­fe­nen Per­so­nen den Adre­na­lin­spie­gel hochtreibt.

Mit 57 Stimmen wurde der Antrag des Kantonalen Kirchenvorstandes am 21. Oktober 2022 für den Budgetposten von Fr. 38 000 angenommen, während 28 dagegen waren und sich 15 – warum auch immer – enthielten. Allein für das Aufsetzen der Grafik und die Aufbereitung der Daten rechnete die Kantonalkirche Schwyz mit Fr. 18 000.–, während für das Erarbeiten der Inhalte in Zusammenarbeit mit den Kirchgemeinden rund Fr. 15 000.– veranschlagt wurden. Es könnte sein, dass einige Parlamentarier ihre Ja-Stimme an jenem denkwürdigen Sessionstag bereits bitter bereuen. Die Kirchgemeinden wurden inzwischen aufgefordert, «spätestens bis Ende Mai 2023» ein Excel-Formular auszufüllen. Grosszügigerweise steht dafür eine erste Hilfestellung mit einer Bedienungsanleitung zur Verfügung. Diese umfasst fünf A4-Seiten, damit die sehr komplexe Excel-Datei mit Daten gefüllt werden kann. Man sammelt hier nicht nur Adressen von Webseiten, was sicher sinnvoll ist, sondern auch «Koordinaten des Ortes der Leistungserbringung oder des Gebäudes». Die Koordinaten, so heisst es in der Bedienungsanleitung, «sind insbesondere für Orte, Gebäude von Bedeutung, die keine genaue Adresse haben». Das könnte zum Beispiel unsere Friedhofkapelle sein oder unser Friedhof, die ja – man erlaube mir die Zwischenbemerkung − auch selten Post bekommen und wohl deswegen keine offizielle Adresse haben. Den betreffenden Gebäuden können rund 352 Aktivitäten und Angaben anderer Pfarreien zugeordnet werden. Somit können dann die hochinteressierten Kirchensteuerzahler nachschauen, wo genau die «Flick-, Strick- und Plaudergruppe» sich aufhält. Den Punkt Alpsegnungen wird man sich wahrscheinlich verkneifen, denn es könnte ja sein, dass der für die Datenaufbereitung zuständige Theologiestudent die genauen Koordinaten der gesegneten Alphütten auch noch wissen möchte. Der noch nicht absehbare immense Aufwand ist so abschreckend, dass sich Kirchgemeinden bereits überlegen, den gesamten Arbeitseinsatz in Stunden und Minuten der Kantonalkirche Schwyz zu verrechnen. Möglicherweise dürfte das einen saftigen Nachkredit nach sich ziehen. In einem unverbesserlichen Anflug von Optimismus bleibt die Hoffnung, dass der Kantonale Kirchenvorstand die Umfrage an die Kirchgemeinden auf einen vernünftigen Umfang schrumpfen lässt. Die nächste Session ist auf den 26. Mai 2023 angesetzt.

Während über die Webseite www.kirchensteuern-sei-dank.ch die Kantonalkirchen von St. Gallen, Luzern und Aargau ihre Informationen anbieten, hat sich die Kantonalkirche Zürich inzwischen mit einer eigenen viersprachigen Webseite namens www.kirchensteuerwirkt.ch davon abgesetzt. Dieser Domainname scheint mit Blick auf die unsägliche Datenerhebung der Kantonalkirche Schwyz zutreffender zu sein. Schliesslich wirkt sich diese spürbar auf unseren Adrenalinspiegel aus.

Zeitvernichtung durch nerviges Statistikwebformular und ätzende Umfragen
Webseiten wie www.kirchensteuern-sei-dank.ch und www.kirchensteuerwirkt.ch werden sicher nie berichten, wie in den Pfarrämtern kostbare Arbeitsstunden vertrödelt werden. Um bei den Kirchensteuerzahlern um Empathie zu werben, seien hier noch zwei Müsterchen angefügt.

Die Erstellung einer Jahresstatistik, das ist unmittelbar einsichtig, gehört zur unverzichtbaren Pflichtübung jeder Pfarrei. Schliesslich muss das Annuario Pontificio jährlich aktualisiert werden. Wurden früher die entsprechenden Daten beim Bistum Chur über das Ordinariat erfasst, verarbeitet diese seit 2022 das SPI (Schweizerische Pastoralsoziologische Institut) über ein Webseitenformular. Das Mail mit der Aufforderung zum Ausfüllen der Statistik ging bei den Pfarrämtern am 1. Januar 2023 ein, mutmasslich vor Weihnachten vorbereitet. Kein Pfarreisekretariat dürfte diese Pflichtübung vor dem 3. Januar erledigen können. Aufgrund der negativen Erfahrungen ist das auch nicht anzuraten. Schon bald hagelte es von allen Seiten Warnmails (Ordinariat, Generalvikariat, SPI) wonach es technische Probleme gebe. Am 16. Januar (!) kam dann die Entwarnung, die technischen Störungen seien behoben. Aufgrund dieser Erfahrung − besonders bitter für jene, die das Formular möglichst rasch ausfüllen wollten − wird man sich künftig hüten, die Jahresstatistik früher als unbedingt nötig abzuliefern.

Zu allem Überfluss bekamen die Pfarrämter am 2. März 2023 von der Fastenaktion (früher Fastenopfer – weshalb übrigens diese Abänderung einer bestens bekannten Marke?) eine Online-Befragung zugeschickt, welche diese bis am 13. März auszufüllen hatten. Die Fastenaktion, die sich offenbar einer «institutionellen Evaluation» unterwirft, beauftragte die Firma KEK-CDC, – was das wieder kostet? –, speziell die Zusammenarbeit zwischen den kirchlichen Partnern und der Fastenaktion zu reflektieren und ihre Meinung zu verschiedenen Themen wie der Sensibilisierungsarbeit und dem «Image der Fastenaktion» sowie ihre Erfahrung mit der Zusammenarbeit einzuholen. Für die Umfrage wurden 5 bis 10 Minuten veranschlagt. Damit wird das ohnehin schon ramponierte Image der Fastenaktion noch vollends beschädigt. Dieser Unsitte muss unbedingt ein Riegel geschoben werden. Postwendend erhielt die Firma von unserem Pfarramt folgenden Bescheid: «Angesichts der Häufung von Umfragen, die derzeit an die Pfarrämter gerichtet werden, nehmen wir − wenn überhaupt − nur daran teil, wenn wir eine Rechnung stellen können: Fr. 150.– als Grundgebühr und zusätzlich abgerechnet in Minuten.» Prompt kam eine automatische Antwort: «Aufgrund von Ferien ist Ihre Anfrage noch pendent. Ich werde Ihnen am Montag eine Antwort schicken.» Zusätzlich wurde noch ein Reminder angedroht und eine Fristerstreckung um sage und schreibe zwei Tage gewährt. Die folgende Mitteilung blieb schliesslich unbeantwortet: «Es sei Ihnen und Ihrer Organisation ein Zitat des berühmten Kommunikationsgenies George Lois ans Herz gelegt: ‹Umfragen sind der Feind der Kreativität.›»

Mehr oder weniger jede Organisation fühlt sich dazu berufen, die Pfarrämter mit Umfragen zu bombardieren und uns von unserer eigentlichen Arbeit abzuhalten. Vor zehn Jahren, als Papst Franziskus frisch gewählt war, schickte die theologische Zeitschrift «Christ in der Gegenwart» eine Umfrage an die Pfarrämter. Sie enthielt unter anderem die Frage, was man von Papst Franziskus erwarte. Die Herausgeber erhielten von uns die Antwort: «Papst Franziskus soll sinnlose Umfragen verbieten!»


Roland Graf
swiss-cath.ch

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Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


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  • Dominik Thali 24.03.2023 um 13:30

    Roland Graf lässt keinen guten Faden an der Kampagne "Kirchensteuern sei Dank". Er unterlässt es zu erwähnen, weshalb der Kanton SG diese lanciert hat und sich seither LU und AG mit Überzeugung angeschlossen haben. Kirche ist kein Selbstläufer (mehr), der Informationsbedarf ist gross. Zudem nehme ich an, dass auch Herrn Grafs Lohn nicht aus der Sonntagskollekte finanziert wird. Abgesehen davon: Im Kanton Luzern haben restlos alle Über 80 Kirchgemeinden das Projekt unterstützt. Der Startaufwand ist tatsächlich sehr gross, das Ergebnis aber macht Freude. Das stelle ich als Leiter Kommunikation der kath. Kirche im Kanton Luzern gerne fest.

    • user
      Daniel Ric 25.03.2023 um 07:52

      Sehr geehrter Herr Thali, es ist äusserst schwierig, Menschen überzeugen zu wollen, Kirchensteuern zu zahlen. Für die meisten Gläubigen, die den Glauben praktizieren, stellt sich diese Frage normalerweise gar nicht. Tatsache ist, dass die meisten Menschen, die einer Kirchgemeinde angehören, keinen Bezug zur Kirche haben und dadurch früher oder später austreten. Lange war es verpönt, aus der Kirche auszutreten, dies bei den Reformierten sowie bei den Katholiken, was dazu führte, dass weiterhin Kirchensteuern gezahlt wurden. Heute ist dies nicht mehr der Fall und mit jedem Kirchenmitglied, das austritt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass weitere folgen werden. Ich denke nicht, dass sich dieser Trend ändern wird. Eher wird sich die Abnahme der Anzahl Kirchenmitglieder beschleunigen, wie wir es in den letzten Jahren bereits gesehen haben. Die Kirche sollte sich daher überlegen, welche Finanzierungsmodelle in Zukunft möglich sind. Da die Anzahl derjenigen Bürger, die einer Landeskirche angehören, fast überall unter 50% sinkt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Kirchensteuer abgeschafft wird. Ohne werten zu wollen, ob dieses System gut oder schlecht ist, muss die Kirche proaktiv in die Zukunft blicken und Lösungen finden. Zudem sind ja auch immer mehr praktizierende Katholiken unzufrieden damit, für was Kirchensteuern ausgegeben werden. Persönlich würde ich ein Modell bevorzugen, bei dem Katholiken selbständig entscheiden können, für welchen Grundvollzug der Kirche sie Geld ausgeben wollen. Katholiken sollten angeben dürfen, ob sie für die Liturgie, für die Verkündigung, für die Diakonie oder für den Gemeindeaufbau ihre Steuergelder einsetzen wollen. Dies wäre ein neues Modell, bei welchem die Mündigkeit der Katholiken, wie das Zweite Vatikanum dies betont, ernst genommen würde.

  • user
    Daniel Ric 24.03.2023 um 13:22

    Durch die ständige Abnahme der Anzahl Katholiken werden sich solche Aktionen leider häufen, da viele Lohnempfänger der Kirche Angst haben, dass der Geldsegen der Steuereinnahmen versiegen wird. Eigentlich sollte es klar sein, für was Geld in der Kirche ausgegeben wird. Da die meisten Steuerzahler jedoch passiv sind und nicht am pastoralen Leben teilnehmen, sollen sie überzeugt werden, nicht aus der Kirche auszutreten. Das ist etwa so, wie wenn man einen Menschen, der keine Briefmarken sammelt, unbedingt davon überzeugen möchte, beim lokalen Philatelisten-Verein zu verbleiben. Auch wenn die Finanzen sauber geführt und den richtigen Zwecken zugeführt würden, wäre es für einen Menschen, der kein Interesse an Briefmarken hat, unsinnig, einen solchen Verein zu finanzieren. In vielen Schweizer Kirchgemeinden hingegen werden die Gelder nicht für die Zwecke verwendet, welche die Hauptaufgaben der Kirche sind, sondern für vielerlei Aktivitäten, die mit der katholischen Kirche wenig zu tun haben. Daher sind solche Kampagnen bürokratisch aufwendig, kosten Geld und bringen schlussendlich keinen Nutzen.

    • Dominik Thali 24.03.2023 um 19:40

      „…für vielerlei Aktivitäten, die mit der katholischen Kirche wenig zu tun haben“: Beispiele?

      • user
        Daniel Ric 27.03.2023 um 19:21
        Sehr geehrter Herr Thali, ganz konkret lässt sich hier die Unterstützung von Institutionen und Vereinen nennen, die zwar teilweise kirchennah sind, jedoch im engeren Sinne nicht viel mit der Kirche zu tun haben. Beispielsweise der lokale Männerchor, der einmal im Jahr in der Kirche singt, sonst aber keinen Bezug zur Kirche hat. Im weiteren Sinne zielt meine Kritik aber auf die Bürokratie ab, die sehr viele Unsummen verschlingt, jedoch das pastorale Leben nicht bereichert. Mir ist klar, dass es in einer Organisation wie der Kirche viele Mitarbeiter braucht, jedoch müssen die Zeichen der Zeit erkannt werden. Die Kirchensteuern sinken und daher muss die Kirche sich überlegen, welche Aktivitäten langfristig finanziell Sinn machen. Meine Meinung war immer, dass der Hauptauftrag der Kirche die Spendung der Sakramente ist. Alles andere muss sich diesem Hauptauftrag unterordnen. ich schreibe hier übrigens nicht rein theoretische Überlegungen nieder, die nichts mit der Realität zu tun haben. Zwölf Jahre war ich Kirchenpflegepräsident und stets interessiert an der finanziellen Situation der Kirchgemeinden. Die Kirche gibt zu viel Geld für den Unterhalt von Kirchen und für das lokale Angebot von Pfarreiaktivitäten aus, die nur von wenigen Gläubigen besucht werden. Die Anregung des früheren Bischofs Kurt Koch, die Pastoralräume zu nutzen, um diejenigen Angebote zu fördern, die der Neuevangelisierung dienen, wurde nicht umgesetzt. Unter Bischof Felix wird Strukturerhaltung betrieben und versucht, eine Art Volkskirche zu retten, die es wohl seit 30 Jahren so nicht mehr gibt. Dies auch zum grossen Schaden für die Einheit mit der Weltkirche, da man einen kirchlichen Sonderweg geht, um irgendwelche Aktivitäten - auch wenn sie nicht lehramtstreu sind - in den Pfarreien anzubieten. Ich finde, man sollte realistisch sein, was die Finanzen und die kirchliche Situation anbelangt. In den letzten 10 Jahren ist die katholische Bevölkerung (die reformierte noch mehr) in vielen Kirchgemeinden stark gesunken. Man soll Modelle für die Zukunft suchen, die diesem Umstand gerecht werden. Von einer Volkskirche zu träumen, ist naiv. Diese Zeiten sind vorbei. Vielleicht werden es aber kleine Gemeinschaften schaffen, das Licht des Evangeliums aufzubewahren und eine Neuevangelisierung zu fördern. Ich meine damit nicht Gemeinschaften, die extrem konservativ oder extrem progressiv sind, sondern auf dem soliden Boden des Zweiten Vatikanums stehen, jedoch den Glauben sehr authentisch leben wollen. Das wäre mein Traum.
  • user
    Johanna-Jessica OFS 23.03.2023 um 15:07

    Ganz ehrlich? Viele meiner Generation treten aus und schieben die Kirchensteuer als Grund vor. Ich zahle sie hingegen sogar gerne. Sie sind nicht nur niedriger als die Unsumme des staatlichen Steuerfusses, auch ihre Verwendung wird transparenter geführt als die Steuern für eine «Heimat»-Gemeinde und einen Staat, die meine Familie seit Generationen sabotieren... Und auch die Kollekte und der Peterspfennig sind nachvollziehbar, und sogar freiwillig. Und beim kirchlichen Personal SEHE ich, dass sehr viel an Arbeit investiert wird, wo geholfen und renoviert wird, ganz im Gegensatz zu anderen Stellen. Ich bin der Kirche dankbarer, als es mein Mindestlohn in der Pflege auszudrücken vermag. Und ich bin auch froh, werden die Kirchensteuern scheinbar in der Schweiz mit Herz und Verstand gehandhabt. Ist nicht in jedem europäischen Land selbstverständlich, weiss ich aus eigener Erfahrung.

    • user
      Hansjörg 24.03.2023 um 14:06

      Dieser Meinung bin ich auch, die Kirchensteuer sollte freiwillig sein.