Obwohl der Synodale Prozess noch andauert und im Herbst 2024 mit einer weiteren Bischofssynode zu einem vorläufigen Abschluss kommen soll, wurde hier weiteren synodalen Diskussionen und daraus folgenden Entscheidungen vorgegriffen. Das Dokument trägt den Titel «Fiducia supplicans», d. h. «flehendliches Vertrauen». Es behandelt die pastorale Sinngebung von Segnungen aus einer völlig neuen Perspektive.
Was galt bisher – und gilt immer noch?
Wie im Dokument [Nr. 8] erläutert, gehören Segnungen zu den Sakramentalien. Ausdrücklich erwähnt wird auch die am 22. Februar 2021 veröffentlichte erläuternde Note der «Kongregation für die Glaubenslehre» zur Frage: «Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?» Die Antwort lautete: Nein. Wörtlich hiess es damals in der Begründung: «Um der Natur der Sakramentalien zu entsprechen, ist es deshalb erforderlich, dass, wenn über einige menschliche Beziehungen ein Segen herabgerufen wird, abgesehen von der rechten Absicht derjenigen, die daran teilnehmen, die zu segnende Wirklichkeit objektiv und positiv darauf hingeordnet ist, die Gnade zu empfangen und auszudrücken, und zwar im Dienst der Pläne Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben und von Christus dem Herrn vollständig offenbart sind. Mit dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung ist daher nur vereinbar, was an sich darauf hingeordnet ist, diesen Plänen zu dienen.»
Papst Franziskus hatte damals die Veröffentlichung jener erläuternden Note gutgeheissen. Der innerkirchlich mächtigen LGBTQ-Lobby war das zweifellos ein Dorn im Auge. Jedenfalls gab es beim kirchensteuerfinanzierten Medienportal «kath.ch» bissige Kommentare, wonach die Kirche rückwärtsgewandt, verknöchert, sexistisch, homophob und selbstherrlich sei.
An der Lehre über das Sakrament der Ehe ändert «Fiducia supplicans» nichts. In Nr. 5 wird erklärt, dass die Ehe die «ausschliessliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau» ist, «die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern». Das Dokument hält fest: «Nur in diesem Zusammenhang finden die sexuellen Beziehungen ihren natürlichen, angemessenen und vollständig menschlichen Sinn.» Im Grunde deckt sich auch die Aussage in Nr. 9 mit dem obigen Zitat aus der erläuternden Note von 2021: «In streng liturgischer Sicht erfordert die Segnung, dass das, was gesegnet wird, dem Willen Gottes entspricht, wie dies in der Lehre der Kirche zum Ausdruck kommt.»
Was ist neu?
Der Trick ist nun, zwischen liturgischen Segnungen und Segnungen, die «nicht Teil eines liturgischen Ritus sind» (Nr. 33), oder anders formuliert, «Segnungen ausserhalb eines liturgischen Rahmens» (Nr. 23), zu unterscheiden. Beim Segen im Rahmen einer Trauung handelt es sich zweifellos um einen liturgischen Segen, sicher auch am Ende eines Wortgottesdienstes. Wie der Präfekt des «Dikasteriums für die Glaubenslehre» schreibt, stützt sich diese Unterscheidung «auf die pastorale Vision von Papst Franziskus». Sie beinhaltet «eine wirkliche Weiterentwicklung über das hinaus, was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über die Segnungen gesagt wurde». Lesenswert ist sicher der Abschnitt über Segnungen in der Heiligen Schrift (Nr. 14–19). Die anschliessende pastoraltheologische Reflexion, die nicht tiefschürfend gewesen sein kann, lässt es an Klarheit vermissen. Was ist überhaupt das Ziel dieser Segnungen und ihrer zugrunde liegenden Pastoral? Geht es um eine Erneuerung der Kirche, um die Ausbreitung des Evangeliums und um das Streben nach grösserer Heiligkeit im Sinne des Zweiten Vatikanums gemäss «Prespyterorum ordinis» (Nr. 2)?
Ganz offensichtlich ist das nicht der Fall. In Nr. 25 von «Fiducia supplicans» heisst es wörtlich: «Die Kirche muss sich im Übrigen davor hüten, ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit ‹vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit› zu stützen, vor allem wenn das ‹Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, die anderen analysiert und bewertet, und anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht›.» Es soll ein bedingungslos angebotener Segen sein. Damit kann diese neue Segensvariante nicht mit einer Art Evangelisierung oder gar mit einer «Heiligung verschiedener Lebensumstände» im Sinne des «Katechismus der Katholischen Kirche» (vgl. Nr. 1677–1678) verknüpft werden.
Da diese neuartige Segnungsvariante nicht im liturgischen Raum stattfindet, darf deren Form auch nicht durch kirchliche Autoritäten festgelegt werden, um eine Verwechslung mit dem Segen im Rahmen der kirchlichen Trauung auszuschliessen (Nr. 31). Schon seit Jahren treiben freischaffende «Liturgiekünstler» ihr Unwesen. Die werden sich sicher nicht an die Anweisung halten, dass ein «solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden» kann. Auf entsprechende Gewänder und Gesten wie der Austausch von Ringen muss laut «Fiducia supplicans» verzichtet werden. Die erklärte Absicht des Dokuments, «Verwirrung und Skandal zu vermeiden», bleibt ein frommer Wunsch, dürfte aller Voraussicht nach genau das Gegenteil bewirken: «Fiducia supplicans» eröffnet hier ein neues kreatives Tummelfeld. Damit die geweihten Amtsträger hier mithalten können, sollten sie allen Ernstes in ihrer «seelsorglichen Sensibilität» auch darin geschult werden, «spontan Segnungen auszusprechen, die nicht im Benediktionale zu finden sind» (Nr. 35). Das Thema einer der nächsten Dekanatsfortbildungen ist somit bereits vorgespurt.
Obwohl die Segnung von Paaren in irregulären Situationen laut «Fiducia supplicans» ausserhalb der von den liturgischen Büchern vorgeschriebenen Formulare vollzogen wird und auch keine «Normierung von Details oder praktischen Aspekten in Bezug auf Segnungen dieser Art» erwartet werden kann, werden die Befürworter des «Synodalen Weges» in Deutschland wohl kaum bereits ausgearbeitete Formulare für Segensgottesdienste einstampfen bzw. zurückziehen. Der «Synodale Weg» hat bekanntlich im März 2023 ein Papier verabschiedet, das umfassende Segensfeiern von «Paaren, die sich lieben», propagiert. Es müsste nun aufgrund von «Fiducia supplicans» zurückgezogen werden. Es sieht nach den jüngsten Aussagen des Vorsitzenden der «Deutschen Bischofskonferenz», Bischof Georg Bätzing, leider nicht danach aus.
Beständige Lehre und Rezeption der Lehre des Heiligen Vaters im Widerspruch?
Wem die Einheit der Kirche in Glaube und Lehre ein Anliegen ist, wird mit Kopfschütteln einen Satz des Präfekten des «Dikasteriums für die Glaubenslehre» zur Kenntnis genommen haben. Da heisst es, dass die Arbeit der römischen Kurie «neben dem Verständnis der beständigen Lehre der Kirche die Rezeption der Lehre des Heiligen Vaters» fördere [Präsentation]. Offenbar sind neuerdings die beständige Lehre der Kirche und die Lehre von Papst Franziskus zwei verschiedene Paar Schuhe. Klar ist nun: Das 8. Kapitel in «Amoris Laetitia» aus dem Jahr 2016 über die Unterscheidung der sogenannten irregulären Situationen und darin die Fussnote 351 sind der Türöffner für «Fiducia supplicans». Man fragt sich besorgt, welche pastoralen Visionen Papst Franziskus sonst noch hat, die auf eine Kollision mit dem authentischen Lehramt der Kirche zusteuern könnten.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Neu dürfen auch zwei sich liebende, gleichgeschlechtliche Menschen gesegnet werden. Ein kleiner Schritt der kath. Kirche in die richtige Richtung.
Im allerbesten Fall wird es so sein, dass nur die Menschen einen solchen Segen in Anspruch nehmen werden, die wirklich aufrichtig Gott suchen und sich nicht aus ihrer jetzigen Situation lösen können. Ich denke hier vor allem an Menschen, die nach einer Scheidung in einer neuen Beziehung leben. Ich bezweifle nicht, dass es auch Homosexuelle gibt, die eine Sehnsucht nach Gott haben, doch das Thema ist momentan so politisiert, dass ich bezweifle, dass es demütige Menschen sein werden, welche diesen Segen erbitten werden, sondern eher die Provokateure. Und gerade diesen Provokateuren wird die im Dokument vorgeschlagene Praxis zu restriktiv und zu wenig öffentlichkeitswirksam sein.
Wichtig ist nun, die Schweizer Bischofskonferenz aufzurufen, jede Form der liturgischen Segensfeiern zu verbieten, wie dies im Bistum Basel seit Jahren praktiziert wird.
Es wird nicht lange gehen und es finden Zeremonien statt mit Priester, Blumen, Musik und Empfang. Dies alles wird und Sensations-hungrigen Medienportalen zugestellt mit entsprechenden Kommentaren. Jener Priester wird wohl befördert. Jene, die Gott treu bleiben werden vorgeladen und verfolgt. Vielleicht sollten unsere Bischöfe mal 1 Kor 6,9 lesen: Ist euch denn nicht klar, dass für Menschen, die Unrecht tun, in Gottes Reich kein Platz sein wird? Täuscht euch nicht: Wer sexuell unmoralisch lebt, Götzen anbetet, die Ehe bricht, wer sich von seinen Begierden treiben lässt und homosexuell verkehrt, wird nicht in Gottes Reich kommen.
Oremus 📿
Nachtrag Redaktion: «Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben» (1 Kor 6,9f).