Alles begann im April 2010. Als Stefan Amrein aus Sursee aus der Kirche austreten wollte, bestand der damalige Ortspfarrer zuvor auf einem persönlichen Gespräch. Für Stefan Amrein war dies der Auslöser, um eine Plattform für den «einfachen und unbürokratischen Austritt» zu gründen. Die Plattform nennt sich «Kirchenaustritt Schweiz» und ist inzwischen unter der Nummer CHE-478.293 als gemeinnütziger Verein im Handelsregister eingetragen. Sie hat sich im Laufe der Zeit überregional als professionelle Plattform für Kirchenaustritte etabliert. Wobei: Eine kirchenfeindliche Stossrichtung lässt sich auf den ersten Blick nicht ausmachen. Eigens wird festgehalten, nicht für Kirchenaustritte weibeln zu wollen. Unter dem Stichwort «Keine Mission» heisst es: «Es ist ausdrücklich nicht das Ziel des Vereins, möglichst viele Personen zum Kirchenaustritt zu bewegen. Jede Person soll selber über seine Konfession und seinen Glauben entscheiden, ohne externe Missionierung.» In der Rubrikenleiste findet sich sogar das Stichwort «Wiedereintritt».
Richtig viel zu tun bekam der Gründer und Präsident des Vereins «Kirchenaustritt Schweiz» im Gefolge der am 12. September 2023 publizierten Pilotstudie, die eine Zahl von 1002 sexuellen Missbrauchsfällen im Umfeld der Katholischen Kirche geltend machte, ohne diese aber – von wenigen Fallbeispielen abgesehen – zu dokumentieren.
«Auf unser Gratisformular für den Kirchenaustritt verzeichneten wir in den letzten Tagen bis zu zehn Mal höhere Zugriffszahlen als sonst», liess Stefan Amrein nur wenige Tage nach der Veröffentlichung gegenüber der «Luzerner Zeitung» verlauten. Ob das Geschäft im gleichen Tempo weitergeht, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Aktuell, d. h. am 1. Dezember ist auf der Homepage des Vereins eine Art «Black Friday-Angebot» aufgeschaltet. Es gilt bis zum 31. Dezember. Wer zugreift, bezahlt für ein pfannenfertiges Kirchenaustrittsgesuch nur 29 Franken. Ist der Betrag überwiesen, gilt: «Nur noch unterschreiben und absenden.»
Gemeinnützig, weil Kirchenaustritt leicht gemacht
Die Zeitschrift «Beobachter» setzt allerdings in einem jüngst erschienenen Beitrag ein Fragezeichen hinter das vermeintlich altruistische Geschäftsgebaren der Plattform «Kirchenaustritt Schweiz». Der «Beobachter» wirft dem Portal vor, den Zugang zum kostenlosen Austrittsformular unnötig zu erschweren und den aus dem Verkauf von kostenpflichtigen Austrittsformularen erwirtschafteten Gewinn am Trägerverein dieser Plattform vorbei zu schleusen. Grund dieser Trickserei: Nur so kann der Trägerverein den ihm von den Luzerner Behörden gewährten Status der Gemeinnützigkeit beibehalten. Interessant wäre es zu wissen, mit welchen Argumenten die Plattform «Kirchenaustritt Schweiz» ihren Antrag auf Gemeinnützigkeit begründet hat.
Hier stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Katholische Kirche mit den signifikant gestiegenen Austrittszahlen der letzten Zeit umgeht; immerhin sind allein im Kanton Zürich nach der Veröffentlichung der Pilotstudie innert sieben Wochen 3223 Gläubige aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Diese Fragestellung ist insbesondere auch aufgrund der Tatsache relevant, dass sich viele über die Konsequenzen eines «Kirchenaustritts» nicht bewusst sind, zumal das in der Schweiz herrschende dualistische System – das es sonst nirgendwo gibt – nicht nur «Normalsterbliche» unter dem Kirchenvolk überfordert.
Austritt ist nicht gleich Austritt
Zunächst ist festzuhalten, dass gemäss der Lehre und dem Selbstverständnis der Katholischen Kirche einem Menschen durch die Taufe als dem Sakrament der Wiedergeburt ein unauslöschliches Siegel eingeprägt wird, mit welchem er der Kirche eingegliedert wird (vgl. Katechismus der Katholische Kirche Nr. 1272 ff.). Dies bedeutet, dass theologisch gesehen ein Austritt aus der Kirche nicht möglich ist. Genau so wenig wie die Geburt eines Menschen rückgängig gemacht werden kann, kann analog im Glaubensverständnis der Katholischen Kirche niemand die durch die Taufe begründete Mitgliedschaft zur Kirche rückgängig machen.
Aus der Sicht der von Staat garantierten, von der Kirche respektierten und bejahten Religionsfreiheit (vgl. Art. 15 Bundesverfassung und Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention) steht es aber jedem Menschen frei, sich von der Römisch-Katholischen Kirche abzuwenden. Demzufolge respektiert die Kirche einen freien Austrittsentscheid und bringt im Taufbuch der austrittswilligen Person einen Vermerk im Taufbuch an. Das unauslöschliche Prägemal durch die Taufe kann ein Katholik nicht verlieren, doch durch den Austritt verliert er seine Rechte. Konkret: Er verliert das Recht, Sakramente zu empfangen (ausser in Todesgefahr), kirchliche Ämter zu bekleiden, Tauf- oder Firmpate zu sein, Mitglied von pfarrlichen oder diözesanen Räten zu werden oder diese zu wählen sowie Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen zu sein.
Doch aufgrund des in der Schweiz herrschenden dualistischen Systems gibt es nicht einfach nur eine Art des Kirchenaustritts. Das heisst im Klartext: Es gibt auf katholischer Seite nicht nur Pfarreien und Dekanate, die ein Bistum bilden, sondern parallel dazu auch Kirchgemeinden, die zu den jeweiligen Kantonalkirchen gehören, welche sich wiederum auf eidgenössischer Ebene zur sogenannten «Römisch-Katholischen Zentralkonferenz» zusammengeschlossen haben. Kirchgemeinden und Kantonalkirchen sind öffentlich-rechtlich anerkannte Gebilde staatlichen Rechts. Ihnen kommt das Recht und die Aufgabe zu, Kirchensteuern zu erheben und diese für die materielle Sicherstellung der Seelsorge zu verwenden.
Wegweisendes Urteil des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hat in seinem wegweisenden Entscheid vom 9. Juli 2012 (BGE 2C_406/2011) klargestellt, dass es rechtlich zulässig ist, aus der (staatlichen) Kirchgemeinde bzw. Kantonalkirche auszutreten, ohne deshalb gleichzeitig aus der Kirche als solcher austreten zu müssen. Es hat lange gedauert, bis die staatskirchlichen Gremien, in casu die Kirchgemeinde der Stadt Luzern sowie die Luzerner Kantonalkirche, sich zur Anerkennung dieses gesplitteten Kirchenaustritts (= «Nein zur Kirchgemeinde bzw. Kantonalkirche) – ja zur Pfarrei bzw. Weltkirche») durchringen konnten. Das Bundesgericht hat darin festgehalten, dass es zwar legitim sei, wenn die Kirchgemeinde an die austrittswillige Person Fragen zu den Motiven und Hintergründen des Austritts stelle. Allerdings, so das Bundesgericht, braucht ein solcher Austritt nicht begründet zu werden, um rechtswirksam zu werden. Im konkreten Fall verlangte die Kirchgemeinde Luzern, die austrittswillige Person habe gestützt auf die neuen Richtlinien des Bistums Basel zum partiellen Kirchenaustritt vorab mit dessen Generalvikar schriftlich Kontakt aufzunehmen. Die Verweigerung der Kontaktaufnahme durch die austrittswillige Person nahmen die Kirchgemeinde der Stadt Luzern und das Verwaltungsgericht Luzern zum Anlass, den Kirchenaustritt als ungültig zu erklären. Demgegenüber stellte das Bundesgericht klar, dass von staatlichen Behörden einzig und allein geprüft werden darf, ob der Austrittswille inhaltlich klar und unzweideutig ist. Ein damit verbundener Vorbehalt, gleichzeitig Mitglied der Weltkirche, sprich der Katholischen Kirche als solcher, bleiben zu wollen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Über den klaren Austrittswillen hinausgehende Anforderungen sind demgegenüber unzulässig.
Ausdrücklich hält das Bundesgericht fest, dass es im vorliegenden Fall keine Rolle spielte, dass die Beschwerdeführerin eine Kontaktaufnahme mit dem Generalvikar des Bistums Basels verweigerte. Ein solcher Austritt allein aus den staatskirchlichen Organisationen wäre nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn die austrittswillige Person die von der Kantonalkirche finanzierten Leistungen weiterhin in vollem Umfang beanspruchen wollte. Die Beweislast für ein solches widersprüchliches Verhalten obliegt aber den kirchlichen Behörden.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Das kann sich rasch ändern, wenn man organisiert handelt und zwar auf allen Ebenen auch mit Hilfe von ausländischen Gläubigen!
Das ist ja gut und schön. Aber meines Erachtens das wirksamste Mittel zur Eindämmung der Häresie-orientierten Landeskirchen ist ein finanzielles Mittel: Die Verminderung der Zwangs-Steuereinnahmen, welche die Landeskirchen von den FIRMEN eintreiben. FIRMEN sind weder getauft, noch gefirmt, und gehören keiner Religion an. Es sind sehr grosse Geldströme, welche die häretisierten Landeskirchen erhalten. Diese Geldströme können durch die Politik / kantonale Abstimmungen abgestellt oder vermindert werden. Wenn den Landeskirchen weniger Geld zur Verfügung steht, können weniger häretische Laien besoldet werden.
Es gibt schreckliche Beispiele von "katholischen" Landeskirchen, welche Bischöfe finanziell erpressen: die häretische Landeskirche Zürich erpresste vor vielen Jahren Bischof Haas, vor einigen Jahren Bischof Huonder, die häretische Landeskirche Luzern erpresste kürzlich Bischof Gmür. Deshalb können gläubige Katholiken meines Erachtens ohne Gewissensbisse in Betracht ziehen, den Landeskirchen den Geldhahn etwas zuzudrehen. Geldströme können dafür direkt den Bischöfen, Orden, einzelnen Priestern oder auch Priesterbruderschaften zugestellt werden. Dazu braucht es keine Landeskirchen.