Symbolbild. (Bild: Jan Dommerholt/Unsplash)

Hintergrundbericht

Stei­gende Aus­tritts­zah­len – wie rea­giert die Kirche?

Die mar­kant gestie­ge­nen Aus­tritts­zah­len rücken die Frage in den Vor­der­grund, wie die Kir­che gene­rell mit aus­tritts­wil­li­gen und aus­ge­tre­te­nen Per­so­nen umgeht. «swiss​-cath​.ch» hat sich bei den Deutsch­schwei­zer Bis­tü­mern erkun­digt, wel­che Kon­se­quen­zen mit einem Aus­tritt ver­bun­den sind.

Alles begann im April 2010. Als Stefan Amrein aus Sursee aus der Kirche austreten wollte, bestand der damalige Ortspfarrer zuvor auf einem persönlichen Gespräch. Für Stefan Amrein war dies der Auslöser, um eine Plattform für den «einfachen und unbürokratischen Austritt» zu gründen. Die Plattform nennt sich «Kirchenaustritt Schweiz» und ist inzwischen unter der Nummer CHE-478.293 als gemeinnütziger Verein im Handelsregister eingetragen. Sie hat sich im Laufe der Zeit überregional als professionelle Plattform für Kirchenaustritte etabliert. Wobei: Eine kirchenfeindliche Stossrichtung lässt sich auf den ersten Blick nicht ausmachen. Eigens wird festgehalten, nicht für Kirchenaustritte weibeln zu wollen. Unter dem Stichwort «Keine Mission» heisst es: «Es ist ausdrücklich nicht das Ziel des Vereins, möglichst viele Personen zum Kirchenaustritt zu bewegen. Jede Person soll selber über seine Konfession und seinen Glauben entscheiden, ohne externe Missionierung.» In der Rubrikenleiste findet sich sogar das Stichwort «Wiedereintritt».

Richtig viel zu tun bekam der Gründer und Präsident des Vereins «Kirchenaustritt Schweiz» im Gefolge der am 12. September 2023 publizierten Pilotstudie, die eine Zahl von 1002 sexuellen Missbrauchsfällen im Umfeld der Katholischen Kirche geltend machte, ohne diese aber – von wenigen Fallbeispielen abgesehen – zu dokumentieren.
«Auf unser Gratisformular für den Kirchenaustritt verzeichneten wir in den letzten Tagen bis zu zehn Mal höhere Zugriffszahlen als sonst», liess Stefan Amrein nur wenige Tage nach der Veröffentlichung gegenüber der «Luzerner Zeitung» verlauten. Ob das Geschäft im gleichen Tempo weitergeht, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Aktuell, d. h. am 1. Dezember ist auf der Homepage des Vereins eine Art «Black Friday-Angebot» aufgeschaltet. Es gilt bis zum 31. Dezember. Wer zugreift, bezahlt für ein pfannenfertiges Kirchenaustrittsgesuch nur 29 Franken. Ist der Betrag überwiesen, gilt: «Nur noch unterschreiben und absenden.»

Gemeinnützig, weil Kirchenaustritt leicht gemacht
Die Zeitschrift «Beobachter» setzt allerdings in einem jüngst erschienenen Beitrag ein Fragezeichen hinter das vermeintlich altruistische Geschäftsgebaren der Plattform «Kirchenaustritt Schweiz». Der «Beobachter» wirft dem Portal vor, den Zugang zum kostenlosen Austrittsformular unnötig zu erschweren und den aus dem Verkauf von kostenpflichtigen Austrittsformularen erwirtschafteten Gewinn am Trägerverein dieser Plattform vorbei zu schleusen. Grund dieser Trickserei: Nur so kann der Trägerverein den ihm von den Luzerner Behörden gewährten Status der Gemeinnützigkeit beibehalten. Interessant wäre es zu wissen, mit welchen Argumenten die Plattform «Kirchenaustritt Schweiz» ihren Antrag auf Gemeinnützigkeit begründet hat.

Hier stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Katholische Kirche mit den signifikant gestiegenen Austrittszahlen der letzten Zeit umgeht; immerhin sind allein im Kanton Zürich nach der Veröffentlichung der Pilotstudie innert sieben Wochen 3223 Gläubige aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Diese Fragestellung ist insbesondere auch aufgrund der Tatsache relevant, dass sich viele über die Konsequenzen eines «Kirchenaustritts» nicht bewusst sind, zumal das in der Schweiz herrschende dualistische System – das es sonst nirgendwo gibt – nicht nur «Normalsterbliche» unter dem Kirchenvolk überfordert.

Austritt ist nicht gleich Austritt
Zunächst ist festzuhalten, dass gemäss der Lehre und dem Selbstverständnis der Katholischen Kirche einem Menschen durch die Taufe als dem Sakrament der Wiedergeburt ein unauslöschliches Siegel eingeprägt wird, mit welchem er der Kirche eingegliedert wird (vgl. Katechismus der Katholische Kirche Nr. 1272 ff.). Dies bedeutet, dass theologisch gesehen ein Austritt aus der Kirche nicht möglich ist. Genau so wenig wie die Geburt eines Menschen rückgängig gemacht werden kann, kann analog im Glaubensverständnis der Katholischen Kirche niemand die durch die Taufe begründete Mitgliedschaft zur Kirche rückgängig machen.

Aus der Sicht der von Staat garantierten, von der Kirche respektierten und bejahten Religionsfreiheit (vgl. Art. 15 Bundesverfassung und Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention) steht es aber jedem Menschen frei, sich von der Römisch-Katholischen Kirche abzuwenden. Demzufolge respektiert die Kirche einen freien Austrittsentscheid und bringt im Taufbuch der austrittswilligen Person einen Vermerk im Taufbuch an. Das unauslöschliche Prägemal durch die Taufe kann ein Katholik nicht verlieren, doch durch den Austritt verliert er seine Rechte. Konkret: Er verliert das Recht, Sakramente zu empfangen (ausser in Todesgefahr), kirchliche Ämter zu bekleiden, Tauf- oder Firmpate zu sein, Mitglied von pfarrlichen oder diözesanen Räten zu werden oder diese zu wählen sowie Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen zu sein.

Doch aufgrund des in der Schweiz herrschenden dualistischen Systems gibt es nicht einfach nur eine Art des Kirchenaustritts. Das heisst im Klartext: Es gibt auf katholischer Seite nicht nur Pfarreien und Dekanate, die ein Bistum bilden, sondern parallel dazu auch Kirchgemeinden, die zu den jeweiligen Kantonalkirchen gehören, welche sich wiederum auf eidgenössischer Ebene zur sogenannten «Römisch-Katholischen Zentralkonferenz» zusammengeschlossen haben. Kirchgemeinden und Kantonalkirchen sind öffentlich-rechtlich anerkannte Gebilde staatlichen Rechts. Ihnen kommt das Recht und die Aufgabe zu, Kirchensteuern zu erheben und diese für die materielle Sicherstellung der Seelsorge zu verwenden.

Wegweisendes Urteil des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hat in seinem wegweisenden Entscheid vom 9. Juli 2012 (BGE 2C_406/2011) klargestellt, dass es rechtlich zulässig ist, aus der (staatlichen) Kirchgemeinde bzw. Kantonalkirche auszutreten, ohne deshalb gleichzeitig aus der Kirche als solcher austreten zu müssen. Es hat lange gedauert, bis die staatskirchlichen Gremien, in casu die Kirchgemeinde der Stadt Luzern sowie die Luzerner Kantonalkirche, sich zur Anerkennung dieses gesplitteten Kirchenaustritts (= «Nein zur Kirchgemeinde bzw. Kantonalkirche) – ja zur Pfarrei bzw. Weltkirche») durchringen konnten. Das Bundesgericht hat darin festgehalten, dass es zwar legitim sei, wenn die Kirchgemeinde an die austrittswillige Person Fragen zu den Motiven und Hintergründen des Austritts stelle. Allerdings, so das Bundesgericht, braucht ein solcher Austritt nicht begründet zu werden, um rechtswirksam zu werden. Im konkreten Fall verlangte die Kirchgemeinde Luzern, die austrittswillige Person habe gestützt auf die neuen Richtlinien des Bistums Basel zum partiellen Kirchenaustritt vorab mit dessen Generalvikar schriftlich Kontakt aufzunehmen. Die Verweigerung der Kontaktaufnahme durch die austrittswillige Person nahmen die Kirchgemeinde der Stadt Luzern und das Verwaltungsgericht Luzern zum Anlass, den Kirchenaustritt als ungültig zu erklären. Demgegenüber stellte das Bundesgericht klar, dass von staatlichen Behörden einzig und allein geprüft werden darf, ob der Austrittswille inhaltlich klar und unzweideutig ist. Ein damit verbundener Vorbehalt, gleichzeitig Mitglied der Weltkirche, sprich der Katholischen Kirche als solcher, bleiben zu wollen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Über den klaren Austrittswillen hinausgehende Anforderungen sind demgegenüber unzulässig.
Ausdrücklich hält das Bundesgericht fest, dass es im vorliegenden Fall keine Rolle spielte, dass die Beschwerdeführerin eine Kontaktaufnahme mit dem Generalvikar des Bistums Basels verweigerte. Ein solcher Austritt allein aus den staatskirchlichen Organisationen wäre nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn die austrittswillige Person die von der Kantonalkirche finanzierten Leistungen weiterhin in vollem Umfang beanspruchen wollte. Die Beweislast für ein solches widersprüchliches Verhalten obliegt aber den kirchlichen Behörden.
 


Kirchenaustrittszwang abgeschafft
Das Urteil des Bundesgerichts ist von kaum zu überschätzender Tragweite. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des finanziellen Erpressungsmanövers der Luzerner Synode. Diese hatte Bischof Gmür ein Ultimatum mit fünf Forderungen gestellt, die umgehend erfüllt werden müssten. Widrigenfalls würde die im Herbst 2024 fällige Tranche von insgesamt 884 000 Franken an das Bistum Basel verweigert. Die Beiträge aller Bistumskantone machen 3,8 Mio. Franken aus, das Gesamtbudget des Bistums beträgt 5,1 Mio. Franken. Bischof Gmür reagierte mit einem geharnischten Brief auf die Androhung des Zahlungsstopps der Luzerner Synode, vor allem deshalb, weil er die damit verbundenen ultimativen Forderungen gar nicht erfüllen kann, fallen sie doch nicht in seinen Kompetenzbereich. Dies betrifft in erster Linie die Öffnung der Akten der Nuntiatur sowie die Abschaffung der angeblich «lebensfeindlichen und homophoben Sexualmoral».
Auch die Aufforderung des Kirchenverwaltungsrates Rorschach SG gehört in dieses Kapitel. Ungefragt forderte er die Seelsorgenden öffentlich zum Ungehorsam gegen Bischof Markus Büchel auf. Falls gegen sie kirchenrechtliche Massnahmen wie beispielsweise der Entzug der Missio canonica ergriffen würden, garantiere er ihnen trotzdem den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, inklusive Lohn, Versicherung und Vorsorge. Und er würde ihnen auch ermöglichen, «uneingeschränkt weiter seelsorgerlich zu wirken».

Dank dem genannten Bundesgerichtsurteil sind nun Gläubige nicht mehr gezwungen, der Kirche als solcher den Rücken kehren zu müssen, wenn sie dieses übergriffige Manöver nach dem Motto «Wer zahlt, befiehlt» nicht mitmachen wollen. Ganz einfach, indem sie den Austritt aus ihrer Kirchgemeinde erklären und den Vermerk hinzufügen: «Ein Austritt aus der Katholischen Kirche ist damit nicht verbunden.» Sollten die Negativbeispiele der Luzerner Synode und des Rorschacher Kirchenverwaltungsrates Schule machen, wird dieser sogenannte «partielle Kirchenaustritt» immer mehr zum Gebot der Stunde.

Wer aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft austritt, verliert jedoch sein Stimm- und Wahlrecht in den staatskirchen-rechtlichen Körperschaften und ist von der Kirchensteuerpflicht befreit.

Abklärungen haben ergeben, dass diese Möglichkeit, die eigene Kirchentreue zu bekunden, in breiten Kreisen des Kirchenvolkes noch viel zu wenig bekannt ist. Dies hängt mit der Komplexität des dualistischen Systems zusammen, aber auch damit, dass einschlägige Kreise die Unterscheidung zwischen kirchlicher Pfarrei und staatlicher Kirchgemeinde, zwischen Bistum und Kantonalkirche bewusst verwischen, ja dem Kirchenvolk vorgaukeln, es handle sich dabei «um ein und denselben Verein». Mitverantwortlich für diese Verwirrung der Geister sind aber auch die diversen Austritts-Portale, welche immer nur vom irreführenden «Kirchenaustritt» reden und dabei geflissentlich ausser acht lassen, dass es in der Schweiz eine Doppelstruktur gibt, derzufolge die Zugehörigkeit zu einer Kirchgemeinde nicht mit der Zugehörigkeit zur (Welt-)Kirche gleichgesetzt werden kann.

Beitragspflicht gemäss kirchlichem Recht
Die Zeitschrift «Beobachter» hält in seinem Artikel «Sie machen Geld mit Austritten aus der Kirche» lapidar fest: «Wer aus der Kirche austritt, muss keine Kirchensteuer mehr bezahlen. Eine kirchliche Trauung oder Beerdigungsfeier ist jedoch weiterhin möglich. Andere Rechte entfallen.» Nein, ganz so einfach ist es nicht.

Can. 222 § 1 des kirchlichen Gesetzbuches bestimmt:
«Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind.»

Es ist dies eine Bestimmung, deren Berechtigung ernsthaft nicht in Zweifel gezogen werden kann. Zu Recht hält die Richtlinie 3.3.5_Kirche und «Kirchenaustritt» des Bistums St. Gallen fest: «Die Kirche in unserer heutigen Gesellschaft und Welt kann ihre Aufgabe ohne Strukturen, personelle und institutionelle Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese erfordern Finanzen und Verwaltung» (Seite 8).

Damit stellt sich die grundlegende Frage, wie gross die Gestaltungsmöglichkeiten der mit der konkreten Umsetzung dieser universalkirchlichen Norm beauftragten Bistümer sind.
Was bedeutet dies nun für jene, die zwar aus den staatskirchlichen Parallelstrukturen wie Kirchgemeinden und Kantonalkirchen austreten, aber weiterhin Mitglied der katholischen Kirche bleiben wollen?

Die Antworten der Deutschschweizer Bistümer
Die von «swiss-cath.ch» befragten Deutschschweizer Bistümer ziehen aus der Vorgabe nach can. 222 des kirchlichen Gesetzbuches den rechtsdogmatisch fragwürdigen Schluss, dass die finanzielle Beitragspflicht grundsätzlich nur durch die Entrichtung der Kirchensteuer erfüllt werden kann.

Das Bistum Basel leitet daraus ab, dass der Austritt aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft «kirchlich gesehen eine Verletzung der Ordnung im Bistum» darstellt. Diese Verletzung werde bei Gewissensnot akzeptiert. Der Wille zur weiteren Zugehörigkeit zur Kirche müsse aber «eindeutig und insofern auch materiell ausgedrückt werden. Dazu gehört, dass ein aus der staatskirchen-rechtlichen Körperschaft ausgetretener Katholik seinen finanziellen Beitrag an die Solidargemeinschaft leistet» (vgl. «Kirchenaustritt», 2.4). Wer diese Solidaritätspflicht durch die Bezahlung eines Beitrags «in der Höhe der Kirchensteuer» in den Solidaritätsfonds des Bistums nicht erfüllt, dem werden seine Rechte eingeschränkt: sie können z. B. kein Taufpatenamt übernehmen, keine kirchlichen Ämter innehaben, Beauftragungen als Lektor oder Kommunionhelfer erlöschen (Dekret 2).

Gemäss den «Richtlinien» des Bistums Chur muss der zuständige Generalvikar der ausgetretenen Person gegenüber darlegen, «dass die Verpflichtung zur materiellen Solidarität mit der Kirche unverändert weiter besteht» und sie auffordern einen «den eigenen finanziellen Verhältnissen entsprechenden Beitrag» dem «dafür eingerichteten Solidaritätsfonds zu spenden» (Punkt 6). Es werden keine Konsequenzen für eine allfällige Nichterfüllung aufgeführt: «Wenn jemand aber andere Möglichkeiten in Betracht zieht, braucht er keine Angst vor Sanktionen zu haben. Die Richtlinien möchten lediglich motivieren, aber kein Drohungsmittel sein», beschwichtigt Bischof Bonnemain gegenüber «swiss-cath.ch».

Das Bistum St. Gallen erklärt: «Weil die Kirchgemeinde im Einverständnis mit dem Bischof eine alle betreffende Verpflichtung der Finanzierung der Kirche zu ordnen übernommen hat, ist ein solcher Austritt eine rechtlich fassbare Weigerung den geschuldeten Beitrag zu entrichten. Er ist ein Verstoss gegen die kirchliche Gemeinschaft und eine Verletzung des diözesanen Rechtes» («Kirche und Kirchenaustritt», 11).

«In Ausnahmefällen kann der Bischof erlauben, dass jemand, der explizit erklärt, nur aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft auszutreten, aber in der Katholischen Kirche verbleiben zu wollen, seine/ihre Solidaritätspflicht gegenüber der Kirche durch Einzahlung in einen diözesanen Fonds erfüllt» («Kirche und Kirchenaustritt», 17).

Das Bistum führt ebenfalls keine Konsequenzen für eine allfällige Nichterfüllung auf. Die Frage nach allfälligen Konsequenzen wird im Bistum St. Gallen nach Auskunft der Kommunikationsabteilung «weniger auf rechtlicher Ebene, sondern in der Frage nach einem guten pastoralen Umgang diskutiert».

Auf die Frage von «swiss-cath.ch», ob die Verpflichtung, die finanzielle Unterstützung gemäss CIC 222 durch die Kirchensteuer zu leisten, angesichts des Ungehorsams einiger Kirchgemeinden heute noch vertretbar sei, antwortet das Bistum Basel: «Es ist zu bedenken, dass die Einnahmen aus der Kirchensteuer an die lokale Kirchgemeinde fliessen. Diese führt einen bestimmten Prozentsatz an die kantonalkirchliche Körperschaft ab für Aufgaben, welche die Ebene der Kirchgemeinde übersteigen. Daraus entrichten die kantonalkirchlichen Körperschaften einen demokratisch festgelegten Prozentsatz (häufig etwa 1 % der Einnahmen) an das Bistum Basel, also die sakramental verfasste Kirche, ab […] Einzelne Kirchgemeinden im Bistumskanton Luzern haben angekündigt, diese 1 % ihrer Steuereinnahmen auf ein Sperrkonto einzuzahlen, bis bestimmte Forderungen durch den Bischof erfüllt sind. Wir verstehen das nicht pauschal als Aufruf zum Ungehorsam gegenüber dem Bischof. Vielmehr verschaffen sich diese Kirchgemeinden auf diesem Weg Gehör für bestimmte Reformanliegen.»

Gemäss can. 1261 § 2 ist der Diözesanbischof «gehalten, die Gläubigen an die in can. 222 § 1 genannte Verpflichtung zu erinnern und in geeigneter Weise auf ihre Erfüllung zu drängen». Es stellt sich die Frage, ob die Bischöfe wirklich festlegen können, dass man die finanzielle Pflicht gemäss can. 222 grundsätzlich nur mittels Kirchensteuer resp. Einzahlung in den Solidaritätsfonds erfüllen kann. Das duale Kirchensystem der Schweiz bildet eine Ausnahme in der Weltkirche. In fast allen anderen Bistümern werden keine Steuern erhoben; die Gläubigen kommen ihrer Unterstützungspflicht gemäss can. 222 durch Spenden nach.

Die Stellungnahmen der angefragten Bistümer legen in aller Deutlichkeit offen, welch enormem Druck, auch seitens innerkirchlicher «pressure groups», die Bischöfe ausgesetzt sind. Seit der Medienhatz im Gefolge der Publikation der Pilotstudie über sexuelle Missbräuche wagen es die Bischöfe vollends nicht mehr, kirchenrechtliche Vorgaben für den Fall eines Kirchenaustritts durchzusetzen. Aus Angst, in der Öffentlichkeit noch mehr an den Pranger gestellt zu werden, haben sie mittlerweile diesen Druck in einer Art Autosuggestion dergestalt verinnerlicht, dass sie den Kerngehalt selbst von finanziellen Erpressungsmanövern wie jenes der Luzerner Synode negieren, ja in ihr Gegenteil umdeuten: «Wir verstehen das nicht als Aufruf zum Ungehorsam gegenüber dem Bischof. Vielmehr verschaffen sich diese Kirchgemeinden auf diesem Weg Gehör für bestimmte Forderungen», lautet die Antwort des Bistums Basel.

 

Kirchenaustritt
Ein Austritt aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft ist jederzeit durch eine schriftliche Erklärung möglich. Diese muss an die zuständige Kirchgemeinde adressiert sein. Das Schreiben muss folgende Elemente beinhalten: Absender; Datum; Erklärung, aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft austreten zu wollen (und in der Römisch-katholischen Kirche zu verbleiben); handschriftliche Unterschrift. In gewissen Kantonen wird die Angabe des Tauforts (bzw. der Taufpfarrei) verlangt. Der Brief sollte als Kopie auch an das zuständige Pfarramt sowie Steueramt gehen.

 In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und St. Gallen werden Austrittsschreiben nur mit einer beglaubigten Unterschrift akzeptiert. Die Unterschrift kann auf jeder Einwohnergemeinde beglaubigt werden (Austrittsschreiben und gültigen Pass oder Identitätskarte mitnehmen)

In den Bistümern Chur und St. Gallen wird der Kontakt durch ein Mitglied des Pastoralteams gesucht, um den Schritt und seine Konsequenzen zu besprechen. Im Bistum Basel wird der Empfang des Schreibens durch die Pfarreileitung bestätigt. Der Generalvikar lässt dann der austrittswilligen Person die schriftliche Vereinbarung zur Erfüllung der Solidaritätspflicht über den diözesanen Solidaritätsfonds zukommen.

Wer auch aus der Römisch-katholischen Kirche als solcher austreten möchte, muss das Schreiben ebenfalls an die zuständige Kirchgemeinde adressieren. Absender, Geburtsdatum und Taufort, Datum, Erklärung mit dem ausdrücklichen Wunsch, aus der Römisch-katholischen Kirche auszutreten, handschriftliche Unterschrift. Auch hier empfehlen sich Kopien an das Pfarramt und das Steueramt.

Für beide Arten des Austritts gilt: Es braucht dazu kein «Formular», wie von Kirchenaustritts-Portalen suggeriert wird, schon gar kein kostenpflichtiges. Ein simples A-4-Blatt genügt.


Redaktion


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    Bernhard Kappeler 03.12.2023 um 02:20
    Konservative Katholiken, die sich nicht vertreten fühlen in den staatskirchlichen Gremien, sollen sich organisieren und darin Kampfwahlen durchsetzen. Jetzt erflogt fast alles über Kooptation der Progressiv-Modernisten.
    Das kann sich rasch ändern, wenn man organisiert handelt und zwar auf allen Ebenen auch mit Hilfe von ausländischen Gläubigen!
    • user
      Daniel Ric 03.12.2023 um 08:23
      Ich teile Ihre Auffassung. Ich sehe jedoch zwei Möglichkeiten: Entweder organisiert handeln innerhalb des dualen Systems oder versuchen, das duale System abzuschaffen. Wichtig ist jedoch die Vernetzung. Die Kräfte, welche die Kirche sogenannt "progressiv" verändern wollen, sind zahlenmässig gar nicht so gross. Das Problem ist, dass viele konservative Katholiken einfach ihr Glaubensleben praktizieren, ohne sich darum zu kümmern, was in der Schweizer Kirche geschieht. Dieser Konsumkatholizismus schadet der Kirche. Es braucht eine schweizweite Vernetzung der glaubenstreuen Katholiken.
    • user
      Marquard Imfeld 03.12.2023 um 10:53
      Es ist eine gute Idee, wenn konservativ-gläubige Katholiken gemeinsam gegen die Protestantisierung unserer Kirche vorgehen, d.h. einer Zerstörung unserer Kirche, welche vor allem durch die öffentlich-rechtlichen "katholischen" Landeskirchen vorangetrieben wird. Es gibt solche organisierten Gemeinschaften, welche bereits in dieser Hinsicht tätig sind, z. B. Pro Ecclesia.

      Das ist ja gut und schön. Aber meines Erachtens das wirksamste Mittel zur Eindämmung der Häresie-orientierten Landeskirchen ist ein finanzielles Mittel: Die Verminderung der Zwangs-Steuereinnahmen, welche die Landeskirchen von den FIRMEN eintreiben. FIRMEN sind weder getauft, noch gefirmt, und gehören keiner Religion an. Es sind sehr grosse Geldströme, welche die häretisierten Landeskirchen erhalten. Diese Geldströme können durch die Politik / kantonale Abstimmungen abgestellt oder vermindert werden. Wenn den Landeskirchen weniger Geld zur Verfügung steht, können weniger häretische Laien besoldet werden.

      Es gibt schreckliche Beispiele von "katholischen" Landeskirchen, welche Bischöfe finanziell erpressen: die häretische Landeskirche Zürich erpresste vor vielen Jahren Bischof Haas, vor einigen Jahren Bischof Huonder, die häretische Landeskirche Luzern erpresste kürzlich Bischof Gmür. Deshalb können gläubige Katholiken meines Erachtens ohne Gewissensbisse in Betracht ziehen, den Landeskirchen den Geldhahn etwas zuzudrehen. Geldströme können dafür direkt den Bischöfen, Orden, einzelnen Priestern oder auch Priesterbruderschaften zugestellt werden. Dazu braucht es keine Landeskirchen.