Kirche Schweiz

«Welt­wo­che»: Die Missbrauchs-​Studie ist ein Machwerk

Gut 14 Tage nach ihrer Prä­sen­ta­tion unter­zog die «Welt­wo­che» die Pilot­stu­die zu Miss­brauchs­fäl­len einer ver­tief­ten Ana­lyse. Der Befund ist ver­nich­tend: Es handle sich um eine «aben­teu­er­li­che Pseudo-​Studie», um ein eigent­li­ches «Machwerk».

Am Tag der Präsentation dieser Pilotstudie hatte «swiss-cath.ch» eine erste Einschätzung vorgenommen. Darin haben wir u. a. bemängelt, die Studie bleibe den Nachweis schuldig, dass die geltend gemachten Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs tatsächlich stattgefunden haben, und die 1002 Fälle nicht nach ihrem Schweregrad aufgeschlüsselt werden. Auf Anfrage von «swiss-cath.ch» wichen die Hauptverantwortlichen der Studie, die Professorinnen Monika Dommann und Marietta Meier, den Fragen aus und vertrösteten auf mögliche Ergebnisse der Nachfolgestudie.

Die «Weltwoche» hat den Ball von «swiss-cath.ch» aufgenommen und in der Zwischenzeit die Studie vertieft analysiert. Autor Christoph Mörgeli gelangt zu einem desaströsen Befund der Qualität der Pilotstudie. Zunächst listet er ganz prosaisch einige Fakten auf: Besagte Studie umfasst 114 Textseiten, macht pro mitarbeitende Person eine durchschnittliche Jahresleistung von 14 Seiten, «gendergerecht» verteilt auf sieben Frauen und einen Mann. Die leitenden Professorinnen Monika Dommann und Marietta Meier präsentierten die Studie am 12. September 2023 der Öffentlichkeit, hatten aber keine einzige Seite zur Studie beigetragen. Für die Kosten der Studie im Gesamtbetrag von Fr. 377 800.– mussten die Kirchensteuerzahler aufkommen. Das Studienteam darf sich auf einen weiteren schönen Batzen freuen: Die ihnen zugeschanzte Nachfolgestudie lassen sie sich mit 1,1 Mio. Franken vergüten, ebenfalls von den Kirchensteuerpflichtigen zu bezahlen.

Nach diesem Vorspann nimmt Christoph Mörgeli das «Filetstück» der Studie, sprich die behaupteten 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs, unter die Lupe. Er äussert den begründeten Verdacht, man habe so lange gesucht, bis die öffentlichwirksame, magische Zahl von 1000 erreicht war: «Denn ein Nachweis, geschweige denn eine Auflistung der Fälle finden sich im Bericht nirgends. Die Historikerinnen haben unbelastet von juristischen Kriterien entschieden, was ‹Missbrauchsfälle› sind. Recht und Gesetz spielen bei diesem öffentlich inszenierten Gerichtshof der Moral keine Rolle.» In der Tat zählt die Studie auch «problematische Grenzüberschreitungen» zu den Missbrauchsfällen, ohne zu sagen, was sie darunter versteht und wie hoch ihr Anteil an der Gesamtzahl der ausgemachten Missbrauchsfälle ist. Gehört dazu allenfalls auch ein simpler «Fudi-Tätsch», wie er in den 50er- und 60er-Jahren gegenüber dem Servierpersonal, zumal in Landbeizen zum courant normal gehörte? Auch «verbal übergriffiges Verhalten» und Übergriffe in «vermeintlich wertschätzender Interaktion» subsumiert die Studie unter den Begriff «sexuelle Missbräuche», Begriffe, die der willkürlichen Interpretation Tür und Tor öffnen.

0.004 Prozent
Dass es sich bei diesen genannten 1002 Missbrauchsfällen in ihrer Gesamtheit nicht um Straftaten im Sinne des Rechtsstaates handeln kann, ist evident. Über das Verhältnis von justiziablen und nicht justiziablen Fällen schweigt sich indes die Studie aus. «Weltwoche»-Autor Mörgeli macht eine Hochrechnung: Unter der Annahme, dass innerhalb von Straftaten schwere Vergehen grundsätzlich seltener sind als leichtere, gelangt er zu potenziell 500 Straftaten in 70 Jahren (= Zeitraum, für den die Studie Missbräuche erfasste). Pro römisch-katholische Kirchgemeinde gelangt man so auf jährlich 0,004 potenzielle (unbewiesene) Straftaten. Dabei sind die von der Studie mitgezählten katholischen Schulen und Heime nicht einmal mitgerechnet. Christoph Mörgeli schlussfolgert: «Demgemäss kämen wir zu folgender Hochrechnung: Alle 250 Jahre kommt in einer römisch-katholischen Kirchgemeinde eine potenzielle (unbewiesene) Straftat vor. Das allerdings tönt weniger sexy als die Schlagzeile ‹1002 sexuelle Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche›. Zweifellos ist die Gefahr, die von Familienvätern und Onkeln bezüglich sexuellen Missbrauchs ausgeht, entschieden grösser als jene von Priestern. Auch in Sportvereinen, in der Jugendgruppe und in der Schule sind Übergriffe erheblich häufiger.»

Es lässt sich nicht abstreiten: Nur eine Minderheit der Fälle wäre nach staatlichen Kriterien strafverfolgungswürdig. Doch landauf, landab erschallte kurz nach der Präsentation der Studie der Ruf nach dem Staat. Dieser müsse verzugslos die Ahndung kirchlicher Missbräuche selbst an die Hand nehmen, dürfe sie nicht der parastaatlichen Kirchenjustiz überlassen. An vorderster Front mit dabei Jacqueline Fehr: Mit Suggestivfragen von SoBli-«Wirtschaftsredaktor» Raphael Rauch auf die Reise geschickt, liess sie sich zu antikatholischen Ausfällen sonder Zahl hinreissen. Ausgerechnet Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, gegen die eine parlamentarische Untersuchungskommission wegen des Verdachts gravierender Missstände in ihrem eigenen Laden ermittelt! Interviewt von «Wirtschaftsredaktor» Rauch, der vom Schweizer Presserat innert kurzer Zeit zweimal wegen eklatanter Verletzungen ethisch-journalistischer Standards gerügt werden musste.

Die «Weltwoche» spricht in ihrer neuesten Ausgabe auf der Titelseite von einem «Kreuzzug gegen die Kirche». Da gilt es zu präzisieren. Roger Köppel verwies vor wenigen Tagen zutreffend zusätzlich auf Auseinandersetzungen innerhalb der Katholischen Kirche, welche den Frontverlauf draussen widerspiegeln würden. In der Tat hat der LGBT-induzierte Erosionsprozess inzwischen weite Teile der Katholischen Kirche erfasst. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Bischof Bonnemain und seine Entourage (Römisch-Katholische Zentralkonferenz inklusive) der Bischofskonferenz das «Historische Seminar» der Universität Zürich als «geeigneten Auftragnehmer» aufgenötigt haben. Professor Jakob Tanner, Autor des Buches «Die Schweiz aus marxistischer Sicht», ist der Lehrmeister der beiden Studienleiterinnen Monika Dommann und Marietta Meier. Logischerweise blieb die Studie von bischöflicher Kritik verschont, würde man sich doch sonst gleich selbst kritisieren. Mehr noch: Sie wurde geradezu zu einer Art säkularem Katechismus verklärt. Nichts könnte die Hilflosigkeit und zugleich auch die Unterwürfigkeit bischöflicher Instanzen besser zum Ausdruck bringen als eine Medienmitteilung der Diözese Sitten kurz vor der Präsentation der Pilotstudie. Ohne Kenntnis von deren Inhalt liess man in vorauseilendem Gehorsam die Medienschaffenden wissen: «Wir verpflichten uns daher, die Schlussfolgerungen und Empfehlungen dieses Berichts in Demut (sic) entgegenzunehmen und daraus konkrete Konsequenzen zu ziehen.»

Auf der kirchlichen «Mea culpa, mea maxima culpa-Ebene» bewegte sich auch der Auftritt der kirchlichen Verantwortlichen im Rahmen der Präsentation der Pilotstudie vom 12. September 2023: Bischof Bonnemain als Vertreter der Bischofskonferenz und Abt von Sury als Vertreter der Vereinigung der höheren Ordensoberen der Schweiz wetteiferten mit ihren Statements um den 1. Platz im Nestbeschmutzer-Ranking.

Die Missbrauchsfälle als Vorwand
Es ist offensichtlich: Die Missbrauchsfälle sind nur der Vorwand, das ideale Vehikel, um die Katholische Kirche in ihrem über Jahrhunderte tradierten, am authentischen Lehramt und am Evangelium orientierten Selbstverständnis plattzuwalzen und sich alsdann als Bannerträger einer alternativlosen Umpolung der Kirche in Richtung «Selbstprotestantisierung» (Gottfried Locher) in Szene setzen zu können.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hatte 2019 in einer ebenso luziden wie profunden Analyse zum Thema «Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs» Stellung genommen. Er bettete die Fehlentwicklungen im katholischen Klerus ein in die gesamtgesellschaftlichen Umbrüche der 60er- und 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als die Ideologie der schrankenlosen sexuellen Promiskuität um sich griff («Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment»), auch vor den Toren der Priesterseminare nicht Halt machte und zur Unterhöhlung der herkömmlichen Moraltheologie beitrug. Papst Benedikt XVI. wörtlich: «Ich versuche zu zeigen, dass in den 60er-Jahren ein ungeheuerlicher Vorgang geschehen ist, wie es ihn in dieser Grössenordnung in der Geschichte wohl kaum je gegeben hat. Man kann sagen, dass in den 20 Jahren von 1960 – 1980 die bisher geltenden Massstäbe in Fragen Sexualität vollkommen weggebrochen sind und eine Normlosigkeit entstanden ist […] Zur Physiognomie der 68er-Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde.» Im Rahmen dieses gesellschaftlichen Kontextes, so lässt sich hinzufügen, liessen Bischöfe übergriffige Geistliche gewähren oder höchstens versetzen. Mit einem Schwall wüster Beschimpfungen reagierten die Medien und ihre Apologeten. Sie fühlten sich von den Worten des emeritierten Papstes getroffen, gerade weil er damit den wunden Punkt der modernen Sexualpraxis getroffen hatte.
Und doch, es darf, ja es muss in diesem Kontext erwähnt werden, dass gerade in Deutschland die Grünen in mehreren parlamentarischen Vorstössen Straffreiheit für Sex mit Kindern gefordert hatten. Und ja, es muss erwähnt werden, dass nicht zufälligerweise die sozial-liberale Regierung Brandt im Jahre 1973 den Kindesmissbrauch per Gesetz vom schweren Verbrechen zum leichten Vergehen herabgestuft hat.

Zurück zur Pilotstudie. Was in diesem Zusammenhang befremdet, sind nicht zuletzt die Aktivitäten von Monika Dommann, einer der beiden Hauptverantwortlichen der Pilotstudie. Konkret geht es um ihr Nahverhältnis, das sie zu der auf die LGBT-Ideologie eingeschworenen Journalistin Annalena Müller von «kath.ch» pflegt. Am 10. September 2023, also zwei Tage vor der Präsentation der Studie, verbreitete sie einen Tweet, in dem sie sich deren Artikel «Bischöfe sollten ihr Amt ruhen lassen» zu eigen machte. Ebenso verbreitete sie einen Tweet, in dem sie deren vermeintliche Interviewqualitäten anpries: «Sehr gut vorbereitetes, vertiefendes Interview von kath.ch. Und dann auch noch redaktionell kompetent betreut. Können wir leider nicht von allen Portalen sagen» (Tweet vom 13. September 2023).
Mit dieser einseitigen Parteinahme hat Professorin Domann ihre Unabhängigkeit und Unbefangenheit als unverzichtbare Voraussetzungen für wissenschaftliches Arbeiten in schwerer Weise kompromittiert. Christoph Mörgeli meint zum Schluss seines Beitrages: «Dass die Universität Zürich für ein solches Projekt die Schirmherrschaft übernimmt, müsste eigentlich als Missbrauch an der Alma Mater geahndet werden.»
So oder so: Klar ist auf jeden Fall, dass diese Dame für ein Nachfolgeprojekt an verantwortlicher Stelle nicht mehr infrage kommt.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Bernhard Stephan Schneider 02.10.2023 um 12:39
    Herzlichen Dank und hohe Anerkennung Ihrer Arbeit. Besonders auch für den Beitrag aus der "Weltwoche" über das Machwerk der Pilot-Studie! Sie schaffen Klarheit und dienen der Wahrheit! Vergelts Gott!
  • user
    M. W. Dreher 01.10.2023 um 21:40
    Offensichtlich ist der Kampf gegen das Christentum und die Katholische Kirche im besonderen in eine internsivere Phase getreten. Mit Unterstellungen, Vorverurteilungen und Moralisierungen wird eine Stimmung erzeugt, die korrekte Untersuchungen und Bewertungen, deren seriöse Resultate erst nach einer gewissen Zeit vorliegen, gar nicht mehr interessieren. Die Meinungen sind ja dann gemacht.
    Der Generalverdacht ist etabliert, die verlorenen Proportionen interessieren nicht mehr und werden auch nicht mehr ins rechte Licht gerückt. Es stimmt sehr bedenklich, wenn man beobachten muss, wie die europäisch-abendländische Kultur und Gesellschaftsordnung mit System
    angegriffen und unterminiert werden.
    Auch die Gefahr des Marsches durch die Institutionen ist kaum mehr ein Thema, er hat nämlich bereits flächendeckend stattgefunden, was unter anderem der Artikel von Benedict Neff in der NZZ beweist..
    Das Gros der Politiker und Führungskräfte will sich nicht exponieren, man "entschuldigt" sich und "bewertet" bereits im Vornherein bevor man die genauen Fakten kennt und schweigt. Dabei sollte man doch klug und standhaft für die eigene Kultur und die eigenen Werte einstehen.
    Nur wer für seine Sache einsteht und kämpft wird ernst genomen.
    Beachtlich auch, dass die NZZ diverse Leserkommntare publiziert hat, die kirchliche Vertreter und Institutionen mit Worten tief unter der Gürtellinie titulieren.
    Meine Anerkennung und Dank gelten Christoph Mörgeli und der Weltwoche, die (als bisher einziges Medium!) Licht in dieses ideologisch gefärbte und unwissenschaftliche Machwerk gebracht haben.
  • user
    Martha vom Morgartä (B. Martha Leuthard) 29.09.2023 um 22:07
    Auftreten statt austreten
    Ich war am 4.4.2022 an der Pressekonferenz von Lausanne dabei. Vorsitz: Bischof Joseph M., Chur/Zürich, und meldete mich zu Wort. Hatte ein mulmiges Gefühl betreffend der beiden Professorinnen sowie der Vertreter der Schweizerisch Historischen Gesellschaft. Nach dem Gottesdienst der SBK vom 19. September 2023 in der Kathedrale von St. Gallen gab ich verschiedene Interviews, denn meine Gefühle und Vermutungen wurden verstärkt.
    Viele Knoten könnten gelöst werden durch Verfassen einer Autobiographie. Diese durfte ich selber erfahren und wurde in meinem Gottvertrauen bestärkt. www.meet-my-life.net dient als Leitfaden. Stelle mich gerne als "Instruktorin" zur Verfügung!
    *Reich gefüllter Becher* , Autorin B. Martha Leuthard, 1942

    www.swissmartha.ch
  • user
    Michael Dahinden, Riemenstalden 29.09.2023 um 19:16
    Warum lassen wir das mit uns machen.
  • user
    Maissen-Hoby Marie-Thérèse 29.09.2023 um 10:17
    Danke für die Information mit dieser fundierten Analyse des Artikels von Mörgeli in der Weltwoche und zusätzlichen Worten von Benedikt XVI. Es ist geradezu Balsam für alle, die sich bemühen, glaubenstreu zu leben.
  • user
    Claudio Tessari 28.09.2023 um 22:22
    Lügen haben kurze Beine. Irgendwann kommt alles ans Licht. Die Fake Katholiken missbrauchen alles um ihre eigene “Kirche“ zu bauen, obwohl es ja bereits protestantische „Kirchen“ gibt.