Im Fokus des Vatikans steht zurzeit primär die Lage der Katholischen Kirche in Deutschland (vgl. Beitrag auf «CNA Deutsch» vom 18 Februar 2024). Die Antwort aus dem Vatikan vom 19. September 2023 auf die Anfrage des schweizerischen Vereins «Vera Fides» (swiss-cath.ch berichtete) fiel dementsprechend dürftig aus. Zur Erklärung: Der Verein richtete sich an den Vatikan mit der Bitte einer Reaktion auf den Zustand der Kirche in der Schweiz. Was in Deutschland noch zur Debatte steht, wurde hier schon umgesetzt. Das sorgte bei vielen für Verwirrung. Die Antwort auf die Anfrage ist dementsprechend enttäuschend für den Verein.
Das Beispiel des Bistums St. Gallen
Und der Zustand der Deutschschweizer Kirche? Der wird schlimmer.
Allein im Bistum St. Gallen werden Laien nicht nur für Predigten in Messfeiern eingesetzt. Mittlerweile dürfen sie per ausserordentlicher Tauferlaubnis als Pfarreibeauftragte regulär taufen. Einzige Bedingung: Einen entsprechenden Kurs müssen sie besucht haben und bei einer Erwachsenentaufe muss eine Vollmacht eingeholt werden.
Begründet wird diese Tauferlaubnis aufgrund des Taufkonzeptes der jeweiligen Seelsorgeeinheit. Oftmals wird der Grund der pastoralen Nähe genannt und dass im Notfall sowieso jeder taufen dürfe. So wird der Ausnahmefall zur Regel gemacht.
Das gilt auch für das Bistum Chur: «Wo Pastoralassistenten/innen die Taufe vorbereiten, entsteht der Wunsch, dass sie die Taufe auch vollziehen. Nach der geltenden Praxis in der Diözese Chur kann die Spendung der Taufe auch an den/die Gemeindeleiter/in delegiert werden. Eine allgemeine Beauftragung zur Taufspendung an den/die Gemeindeleiter/in kann der zuständige Generalvikar erteilen.»
In einigen der Seelsorgeeinheiten des Bistums St. Gallen werden auch Trauassistenzen ohne Priester oder Diakon durchgeführt – mit einer Sondererlaubnis von Ortspfarrer und Generalvikariat. Dabei wurde aber zuerst «heimlich» vorgegangen: Erst wurde die Trauung durchgeführt und dann nachgemeldet. Mit der Etablierung einer Praxis wird dann begründet, dass die Weisungen und Regelstellungen des Bistums veraltet seien und angepasst werden müssten – angepasst an die «pastorale Realität».
Im Bistum Basel wird ähnlich formuliert: «Gemeindeleiter, die nicht Diakon sind, und Gemeindeleiterinnen erhalten mit der Missio canonica für die ausserordentliche Leitungsaufgabe (can 517 § 2 CIC) die generelle ausserordentliche Beauftragung zur Taufspendung (can 861 § 2 CIC) mittels Dekret.»
Gemeindeleiter bzw. Pfarreibeauftragte, besonders männliche und weibliche Laien, werden in allen drei Bistümern mehr und mehr für priesterliche Aufgaben eingesetzt. Vereinzelt gibt es auch Trauassistenzen, die zuerst durchgeführt und dann nachgemeldet wurden. So wird in bewährter Salamitaktik nach und nach eine pastorale Praxis etabliert, welche dann als Begründung für die Nichtbeachtung bisheriger Normen herhalten muss.
Kultur- und Strukturwandel: Das sind die Gründe
Die Begründung der ortsnahen Pastoral – Kirche müsse vor Ort stattfinden und es herrsche schliesslich Priestermangel – ist aber nicht die einzige. Auch die Strukturen sollten längst überholt werden. Ein Kultur- und Strukturwandel wird in den genannten Bistümern gefordert. So auch die jüngsten Meinungsäusserungen von einem Teil der Stimmen bei den Treffen mit Bischof Markus Büchel und Franz Kreissl im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im September 2023.
Zukunftsperspektive?
Die Verbindung zur Weltkirche und dem Vatikan wird immer mehr aufgeweicht und verwischt. Nicht einmal «Fiducia supplicans» schlug in den Kreisen der Kirchenangestellten hohe Wellen. Nicht wenige Seelsorgerinnen und Seelsorger aus den Bistümern wiederholen oft denselben Satz «Von Rom erwarte ich nichts mehr. Was von dort kommt, lese ich nicht.» Die Frage, die jedoch offen bleibt für alle Gläubigen gleich welcher Couleur, ist: Quo vadis – Wohin gehst du, Kirche Schweiz?
Quellen
Hilfen, Regelungen und Weisungen für die Seelsorge (HiReWe) Bistum St. Gallen: https://www.bistum-stgallen.ch/fileadmin/kundendaten/Dokumente/HiReWe_neu/2.1.1_Das_Sakrament_der_Taufe.pdf
Handreichung zur Taufpastoral Bistum Chur: https://www.bistum-chur.ch/allgemein/taufpastoral-im-bistum-chur-handreichung-1-2004/
Grundsätze, Arbeitshilfe, Richtlinien Bistum Basel: https://www.bistum-basel.ch/fileadmin/kundendaten/bistum_basel_hauptablage/12_dokumente_formulare/Taufpastoral_im_Bistum_Basel_-_Grundsaetze-Arbeitshilfe-Richtlinien__01.07.2019_.pdf
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2023-01/schweiz-brief-chur-st-gallen-basel-liturgie-experimentierfeld.html
Wichtig ist hierbei zu erwähnen, was die Früchte dieser Entwicklung sind. Die Bistümer Basel und St. Gallen (Chur ist hier noch nicht so radikal) betreiben seit Jahren eine Politik, die den Vorgaben des Vatikans widerspricht. Im Bistum Basel ist es beispielsweise zur Normalität geworden, dass Wortgottesdienste die Eucharistiefeier verdrängen. In fast allen Pastoralräumen ersetzen Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter die ordentliche Leitung, die aus einem Pfarrer besteht. Die Folge ist nicht ein lebendigeres Pfarreileben, sondern eine sehr niedrige Partizipation an der Kirche. Es gehen fast keine Menschen an die Wortgottesdienste und es gibt sehr viele Kirchenaustritte. Dieser "Reformweg" steht also nicht nur im Widerspruch zum katholischen Lehramt, sondern vor allem auch zur Empirie.
Ich habe alleine diesem Papst 5 Briefe beschrieben, der Glaubenskongregation zwei und der Liturgiekongregation ebenfalls einen. Der Heilige Papst JPII und Papst Benedikt haben schon reagiert, zum Beispiel mit dem Dokument Redemptionis sacramentum. Es ist leider schon so, dass aktuell nicht mit gleichen Ellen gemessen wird. Mit den Bischöfen in Deutschland hat man Geduld ohne Ende, wie auch in der Schweiz, obwohl die Mehrheit öffentlich Häresie vertreten. Und auf der anderen Seite werden lehramtstreue Hirten abgesetzt. Das meinte ich. Aber es ist ja nicht an uns zurichten. Vorsatz in der Fastenzeit: JOH 21.22
Was das duale System mit seiner Verwaltungsbürokratie nicht alles ermöglicht...
Es macht sicher keinen Spass, sich für eine Stelle im Gemeindienst zu bewerben aber keine Verantwortung
tragen zu dürfen. Wie will da einer noch junge Männer motivieren können, seine Berufung zu entdecken,
wenn er daran gehindert wird. Als Stuntman in der Unterhaltungsbranche kommt man nie ins Rampenlicht, das einem ein Erfolgserlebnis verschaffen kann.
leider nimmt man nur die Charismen wahr bzw. ernst, welche in den Mainstream passen. Die Kirche ist doch keine Partei der Verein. Gottes Reich ist nicht von dieser Welt (hat der Herr selbst gesagt). Dafür braucht es die Priesterweihe!
Dieser "Mangel" ist nun wirklich sehr relativ, teils vorgeschoben, teils künstlich herbeigeführt.
Wo/wie kann man mit solchen "arbeitslosen" Priestern, die korrekt sind und weder konservativ noch progressiv sondern klar rom-treu sind in Kontakt treten?