Kirche Schweiz

Syn­oda­ler Pro­zess im Bis­tum Chur – nur für Auserwählte

Am 25. Okto­ber tra­fen sich Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter des «Pries­ter­ra­tes», des «Rates der Reli­gi­ons­päd­ago­gin­nen und –päd­ago­gen, Theo­lo­gin­nen, Theo­lo­gen und Dia­kone», des Jugend­ra­tes und kan­to­nale Seel­sor­ge­räte in Ein­sie­deln zu einer Tagung, um den ange­stos­se­nen syn­oda­len Pro­zess im Bis­tum Chur weiterzuentwickeln.

Als Diskussionsgrundlage diente eine «Tischvorlage», die von der «Arbeitsgruppe synodaler Prozess im Bistum Chur» erarbeitet wurde. Ausgangspunkt bildete dabei der Schlussbericht des Unternehmens für Markt- und Meinungsforschung gfs.bern, das die Online-Umfrage zum synodalen Schweiz «wir-sind-ohr.ch» auswertete. Die Ergebnisse der 10 Themenfelder des diözesanen Schlussberichts vom März wurden von der Arbeitsgruppe neu fokussiert: in Grundhaltungen und in Handlungsoptionen. Auf dieser «Tischvorlage» fanden sich Punkte wie:

«Frauen und Männer sollten den gleichen Zugang zu Führungspositionen in der Kirche haben können. Wenngleich dies universalkirchlich noch nicht in allen Bereichen möglich ist, setzen wir uns für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen Bereichen und für eine bessere Integration von Frauen in Entscheidungsprozesse ein» (1.5).

«Der Bischof trägt Sorge, dass das ‹Volk Gottes› an der Auswahl der kirchlichen Amtsträger und Amtsträgerinnen beteiligt wird. Dies gilt auch für die Bischofswahl. Ebenso setzt er sich dafür ein, dass die ‹Machtfülle des Bischofsamts› kritisch überprüft und begrenzt wird» (2.2.7).

«Das Zeugnis der Kirche von einem liebenden und barmherzigen Gott ist nur glaubwürdig, wenn zugleich wiederverheiratet Geschiedene, LGBTQO+-Menschen, Christinnen und Christen anderer Konfessionen oder Menschen in «sogenannten irregulären Verhältnissen lebend» (vgl. Amoris laetitia) zu den Sakramenten zugelassen werden. Im Bistum Chur sieht man zuerst den Menschen und seine Glaubenssuche und ist man offen für dessen Bedürfnisse» (2.5.6).

«Im Bistum Chur legen wir Wert darauf, dass eine ‹pyramidal-hierarchische Struktur›, insbesondere ein Überlegenheits- und Machtstreben in Teilen des Klerus, minimiert wird zugunsten einer synodal verfassten Kirche. Die Priester selbst bemühen sich um ein erneuertes Selbstverständnis, das der Synodalität entspricht (2.6.3).

Harmonisch überdeckte Diskrepanz
Unter den rund 60 Teilnehmenden waren auch vier Mitglieder des Jugendrates. Flurin Rohweder fand es «cool zu sehen, dass so viele Menschen auf das Gleiche hinarbeiten». Sie waren sich einig, «langsam an einem Punkt zu sein, an dem alle mit der erarbeiteten Tischvorlage mehr oder weniger einverstanden sind».


Der Generalvikar von Zürich-Glarus, Luis Varandas, zeigte sich erfreut. «Das Schönste war zu sehen, dass wir wirklich synodal zusammen unterwegs waren: Im Hören aufeinander, in der Offenheit, die eigenen Ergänzungen oder Kritikpunkte anzubringen.» Auf die Nachfrage, ob es nicht auch kontroverse Themen gab, erklärte er: «Es gab Themen, die man kontrovers verstehen konnte. Hier brauchte es Klärung.» Da stellt sich den Aussenstehenden die Frage: Ist beispielsweise die Aussage, dass Menschen in «sogenannten irregulären Verhältnissen lebend» zu den Sakramenten zugelassen werden sollen, wirklich nicht kontrovers? Zumindest steht die Forderung im Widerspruch zur Lehre der Kirche.

Bischof Joseph Maria Bonnemain war ebenfalls mit der Tagung zufrieden. Das wichtigste Ergebnis für ihn? «Die Freude, dass wir gemeinsam in einer konstruktiven Atmosphäre gearbeitet haben und bereit sind, in dieser Haltung weiterzuwirken. Ein Bistum zu erleben, in dem alle, wie der Papst sagt, unterwegs sind, gemeinsam in die gleiche Richtung.» Angesprochen auf Punkt 1.5 der Tischvorlage, wonach das Bistum Chur bei der Gleichberechtigung von Frau und Mann vorwärtsgehen wird, auch wenn «dies universalkirchlich noch nicht in allen Bereichen möglich ist», stellte er klar, dass die Bistumsleitung dies niemals in einer Art tue, die im Widerspruch zur Weltkirche stehe.


Ohne echte Beteiligung der Gläubigen
Die schon beinahe euphorische Atmosphäre unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer liess fast vergessen, dass bei der Online-Umfrage zum synodalen Prozess nur 0,27 Prozent aller Katholikinnen und Katholiken des Bistums Chur mitgemacht haben. Davon waren gerade einmal 16 Prozent unter 40 Jahren. Auf die Frage, ob man angesichts dieses offensichtlichen Mangels an Repräsentativität die Ergebnisse des synodalen Prozesses noch glaubwürdig als Stimme der Kirche Schweiz verkaufen und in die Weltkirche einbringen könne, meinte Bischof Joseph: «Es geht nicht Repräsentativität, sondern darum, die Stimme der Gläubigen zu erfassen, sofern sie bereit sind, sich zu äussern. Wir wären glücklich gewesen, wenn sich alle beteiligt hätten.»

Der synodale Prozess auf der Diözesanebene kennt keine Fristen und Vorgaben, die es einzuhalten gilt. So hätte das Bistum Chur nach anderen Formen suchen können, um mehr Gläubige zu beteiligen, was jedoch unterblieb. Eigentlich müsste es dem Bischof eines Bistums wichtig sein, in einer so wichtigen Angelegenheit die Meinung möglichst vieler Gläubigen zu erfahren. Bischof Joseph Maria sieht das anders. Auf die kritische Anmerkung, dass sich die Laien – wie von Papst Franziskus gewünscht – so gar nicht wirklich einbringen können, entgegnete er:

«Das Verfahren dauert schon mehr als ein Jahr. Heute ging es darum, die Ergebnisse der Umfrage und der diözesanen Versammlungen durch die Beratungsgremien des Bistums zu präzisieren. Wollten wir die Gläubigen beteiligen, wären wir wieder am Anfang. Das will ich nicht. Ich will vorwärtsmachen.»

In der Medienmitteilung heisst es, dass mit einer Publikation der Ergebnisse bis Ende Jahr gerechnet wird. Somit scheint die Bistumsleitung die Synodalität im Bistum Chur festlegen zu wollen, bevor der synodale Prozess auf der weltkirchlichen Ebene abgeschlossen ist.

Auf der offiziellen Webseite der Umfrage «wir-sind-ohr.ch» erklärt Prof. Dr. Walter Kirchschläger das Wort Synodalität: «Das griechische Wort setzt sich aus der Silbe syn und einer Ableitung von odos zusammen. Die Verwandtschaft von synodal und Synode ist sogleich erkennbar. Die erste Silbe steht für ‹mit› – also gemeinschaftlich, alle einschliessend, miteinander. Die zweite Silbe verweist auf hodos, den Weg.»

Synodalität wäre somit ein Weg, den möglichst alle miteinander gehen. Im Bistum Chur sieht man das leider anders. Hier genügen 0,27 Prozent. Über die offensichtliche Diskrepanz zur Forderung von Papst Franziskus kann auch die immer wieder betonte «konstruktive und harmonische Atmosphäre» der Tagung nicht hinwegtäuschen.

 

Mitglieder der «Arbeitsgruppe Synodaler Prozess im Bistum Chur» sind Bischof Joseph Maria Bonnemain, Rudolf Vögele (Bistumsregion Zürich-Glarus), Eva-Maria Faber oder Birgit Jeggle-Merz (Theologische Hochschule Chur), Felix Hunger (Priesterrat), Ute van Appeldorn (Rat der Religionspädagoginnen und -pädagogen, Theologinnen und Theologen und Diakone), Antonia Fässler und Bernhard Bislin (Kantonale Seelsorgeräte Schwyz und Graubünden) sowie Andreas Kiser (Jugendrat).

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Martin Meier-Schnüriger 30.10.2023 um 14:52
    Die Zusammensetzung der "Arbeitsgruppe" straft die angebliche Absicht, möglichst die gesamte Diözese am "synodalen Prozess" zu beteiligen, Lügen. Wieso fehlt z.B. ein Vertreter des Churer Priesterkreises? Warum wurden keine Ordensleute eingeladen? Wo sind die Vertreter der "neuen Bewegungen"? Kurz gesagt: Es fällt auf, dass in diesem handverlesenen Gremium Stimmen fehlen, die sich für den bestehenden katholischen Glauben stark machen.
  • user
    Stefan Fleischer 30.10.2022 um 12:43
    Ein gemeinschaftlicher Weg

    will die Synode sein. Doch wie soll das gelingen, wenn man sich nicht einmal darüber einigen kann, welcher Weg das sein soll, die breite Strasse, die ins Verderben führt, oder doch nicht lieber den schmalen Weg durch die enge Pforte zum ewigen Leben, welchen uns der Herr so sehr ans Herz gelegt hat. (vgl. Mt 7,13-14) Die gewählte Lösung des Problems, die Diskussion nur unter Befürwortern der breiten Srasse zu führen, ist nicht zielführend und auch nicht gerade Vertrauen weckend.